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Arbeitszeit-Erfassung: Was bedeutet das Urteil für Beschäftigte?

  • Veröffentlicht: 15.02.2022
  • 18:25 Uhr
  • Galileo

Die gesamte Arbeitszeit muss dokumentiert werden - das hat das oberste deutsche Arbeitsgericht bereits 2022 entschieden. Was in der Urteilsbegründung steht und was auf Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen zukommt, erfährst du hier. Im Clip haben wir die lückenlose Arbeitszeit-Erfassung schonmal getestet.

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Das Wichtigste zum Thema Arbeitszeit

  • Gemäß Gesetz ist die Arbeitszeit "die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen". Erfahre, welche Vorteile eine Siesta hat.

  • Bis vor Kurzem mussten nur Überstunden erfasst werden. Laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts von September 2022 muss künftig jedoch die komplette Arbeitszeit vom Anfang bis zum Feierabend dokumentiert werden.

  • In einigen Betrieben wird die Arbeitszeit sowieso schon protokolliert. Sobald die Bundesregierung das Arbeitsschutzgesetz angepasst hat, besteht jedoch für alle Arbeitgeber:innen die gesetzliche Pflicht ein verlässliches System zur Arbeitszeit-Erfassung im Unternehmen einzurichten.

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Erfassung der Arbeitszeit wird zur Pflicht

Laut dem Urteil Bundesarbeitsgericht (BAG) von Herbst 2022 müssen Arbeitgeber:innen die Arbeitszeit ihrer Angestellten vollständig und genau erfassen.

Bislang waren laut dem Arbeitszeit-Gesetz (ArbZG) nicht unbedingt die gesamte Arbeitszeit zu dokumentieren, sondern lediglich Überstunden und Sonntags-Arbeit. Nach dem Arbeitsschutz-Gesetz (ArbSchG) gilt aber, dass Arbeitgeber:innen "für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen" haben.

Diesen Absatz legt das BAG als Pflicht zur Arbeitszeit-Erfassung aus und teilt mit: Arbeitgeber:innen sind "verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann." Dabei folgt das Bundesarbeitsgericht einer früheren Richtlinie des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019 zur verbindlichen Arbeitszeit-Erfassung. Das ArbSchG gilt für alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe.

Das BAG-Urteil ist allerdings erst gesetzliche bindend, wenn Bundestag und Bundesrat ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Das lässt bisher auf sich warten.

Rückkehr der analogen Stechuhr?

😌 Auf welche Art und Weise Arbeitgeber:innen die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer:innen dokumentieren, schreibt das aktuelle BAG-Urteil nicht vor. Zu beachten gilt aber, dass die alleinige Bereitstellung eines Zeiterfassungssystem nicht ausreicht.

⏳ Zwischen papiernem Stundenzettel, Excel-Tabelle, Stechuhr und Software-Lösungen können Unternehmen zunächst einmal frei auswählen.

📑 Vermutlich grenzt der Gesetzgeber, also der Deutsche Bundestag, das Verfahren zur Arbeitszeit-Erfassung in Deutschland noch weiter ein. Zum Beispiel könnten Einzelheiten wie Fristen und der Detailgrad der Arbeitsdaten genauer definiert werden.

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Da war doch was… Rückblick auf die EuGH-Richtlinie 2019

Streng genommen ist Deutschland schon seit einem Beschluss des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2019 zum Handeln aufgefordert. Seither gilt eine europarechtliche Vorgabe zur verlässlichen Arbeitszeit-Erfassung.

Bislang haben die Bundesregierung und ihre Vorgängerin diese Maßgabe aber nicht in deutsches Recht umgemünzt. Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts setzt die deutsche Gesetzgebung deutlich unter Zugzwang.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) stellte bereits Vorschläge für eine unbürokratische Arbeitszeit-Erfassung in Aussicht. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition steht diesbezüglich: "Im Dialog mit den Sozialpartnern prüfen wir, welchen Anpassungsbedarf wir angesichts der Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitszeitrecht sehen. Dabei müssen flexible Arbeitszeit-Modelle (zum Beispiel Vertrauensarbeitszeit) weiterhin möglich sein."

Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, ist um eine unbürokratische Lösung der verbindlichen Arbeitszeit-Erfassung bemüht.
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, ist um eine unbürokratische Lösung der verbindlichen Arbeitszeit-Erfassung bemüht.© picture alliance / Flashpic | Jens Krick

Ende von Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice?

Welche konkreten Folgen das BAG-Urteil zur verpflichtenden Arbeitszeit-Erfassung für deinen individuellen Arbeits-Alltag hat, bleibt abzuwarten.

Kaum vorstellbar erscheint nunmehr Vertrauensarbeitszeit im klassischen Sinne. In dem Modell ist die Arbeitszeit zwar vertraglich geregelt - die tatsächlich geleistete Arbeitszeit wird aber nicht festgehalten.

Die systematische Erfassung verspricht somit Transparenz und Kontrolle. Wird die Arbeitszeit verlässlich dokumentiert, dann schützt das auch vor Ausbeutung durch unbezahlte Überstunden.

Zur Einordnung: Im Jahr 2021 haben 4,5 Millionen der insgesamt 37,8 Millionen Arbeitnehmer:innen in Deutschland Überstunden geleistet. Fast ein Drittel der Betroffenen (29 Prozent) hat mindestens 15 Stunden pro Woche mehr gearbeitet, als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart war. Mehr als die Hälfte aller Überstunden blieb laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung unbezahlt.

Eine lückenlose Arbeitszeit-Erfassung und flexible (mobile) Arbeit schließen sich hingegen im Prinzip nicht aus. Mittels digitaler Zeit-Erfassung lässt sich die Arbeitszeit etwa auch im Home Office problemlos dokumentieren. Viele Unternehmen haben solche Systeme in der Corona-Zeit ohnehin bereits eingeführt.

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FAQ zum Thema Erfassung der Arbeitszeit

Hier findest du mehr zu den Hintergründen

Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Arbeitszeiterfassung

Pressemitteilung zur Richtlinie zur Arbeitszeiterfassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)

Urteilsbegründung zur Arbeitsverfassung

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