AstraZeneca-Impfstoff: Sollen ihn jetzt doch alle bekommen?
- Veröffentlicht: 08.04.2021
- 17:00 Uhr
- Galileo
In Deutschland bekommen nur noch über 60-Jährige den AstraZeneca-Impfstoff, da es bei jüngeren Geimpften mehrere Fälle von Hirnvenen-Thrombosen gab. Die EMA und WHO dagegen empfehlen den Impfstoff weiterhin für alle. Mehr dazu hier.
Das Wichtigste zum Thema Impfung mit AstraZeneca
Bis Ende März gab es laut Paul-Ehrlich-Institut 31 Fälle einer Sinusvenen-Thrombose nach einer Impfung mit AstraZeneca in Deutschland. In 9 Fällen endete dies tödlich. Betroffen waren in erster Linie junge Frauen.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat ihre AstraZeneca-Impf-Empfehlung deswegen auf Personen ab 60 Jahren eingeschränkt. Bund und Länder sind der Einschätzung gefolgt.
Jüngere, die bereits eine AstraZeneca-Impfung erhalten haben, empfiehlt die STIKO nach 12 Wochen als Zweit-Impfung das Vakzin von Biontech oder Moderna. Gesicherte Daten zur Wirksamkeit gibt es dazu allerdings noch nicht. Bund und Länder entscheiden darüber voraussichtlich nächste Woche.
Gut zu wissen: Auch jüngere Deutsche können den Impfstoff von AstraZeneca erhalten, wenn sie dies auf eigenes Risiko wünschen und von einem Arzt aufgeklärt wurden.
Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) empfiehlt nach genauer Untersuchung trotz sehr seltener Fälle von Hirnthrombosen weiterhin die uneingeschränkte Anwendung des Corona-Impfstoffes von AstraZeneca - das heißt für alle Personen ab 18 Jahren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sprach sich ebenfalls erneut dafür aus. Voraussichtlich haben diese Einschätzungen aber keine direkte Auswirkung auf die Empfehlung der STIKO.
In einigen Ländern wie Dänemark und Norwegen wird AstraZeneca aktuell gar nicht mehr geimpft. In Italien nur bei über 60-Jährigen und in Großbritannien nur bei über 30-Jährigen. Alle Briten, die ihre erste Impfung von AstraZeneca erhalten haben, sollen diese jedoch auch bei ihrer zweiten Impfung bekommen.
Warum die EMA und WHO AstraZeneca weiter jedem empfehlen
Die EMA empfiehlt den Impfstoff von AstraZeneca weiterhin ohne Einschränkungen, da ihrer Ansicht nach der Nutzen des Impfstoffes die möglichen Risiken übertrifft.
Einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Wirkstoff und Thrombosen bejahen die EMA-Experten allerdings: Die Thrombosen traten vor allem bei Frauen im Alter von unter 60 Jahren innerhalb von 2 Wochen nach der Impfung auf. Blutgerinnsel sollen deshalb laut EMA als seltene Nebenwirkung aufgelistet werden. Spezifische Risikofaktoren fanden die Experten bisher nicht.
Auch die WHO hat sich erst einmal für die Weiterverwendung des AstraZeneca-Vakzins ausgesprochen. Nach aktueller Datengrundlage scheine ein Zusammenhang mit Thrombosen zwar plausibel, aber nicht bestätigt. Auch betonte die WHO, dass die Vorfälle hinsichtlich der 200 Millionen mit AstraZeneca geimpften Menschen sehr selten seien.
Um diese Nebenwirkungen geht es
Bereits Mitte März hatte Deutschland die Nutzung des AstraZeneca-Impfstoffs auf Empfehlung des für die Impfstoff-Sicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vorsorglich gestoppt. Hintergrund waren Meldungen zu Blutgerinnseln (Thrombosen) in den sogenannten Sinusvenen im Gehirn in zeitlichem Zusammenhang zu Impfungen. Diese Venen führen das Blut aus dem Gehirn ab. Mit 3 bis 5 Fällen pro eine Million Einwohner pro Jahr ist diese Erkrankung normalerweise sehr selten.
Die Blutgerinnsel in den Hirnvenen seien laut PEI zusammen mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) aufgetreten. Diese sind mit zuständig für die Blutgerinnung, einer wichtigen Funktion unseres Körpers: Verletzen wir uns, sorgt sie dafür, dass Wunden durch einen Blutpfropf verschlossen werden. Das schützt sie vor Keimen und lässt sie schneller heilen. Ein Mangel an Blutplättchen führt zu einer erhöhten Blutungsneigung. Das merken Betroffene etwa an punktförmigen Einblutungen in Haut und Schleimhäuten, aber auch an starkem Nasenbluten.
Was ist die Ursache für die Sinusvenen-Thrombosen?
Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Greifswald haben bei allen bislang untersuchten Betroffenen dieselbe Ursache gefunden: Offenbar habe der Impfstoff bei den Probanden eine Abwehrreaktion der Blutplättchen aktiviert. Das habe zu einer Bildung von Blutgerinnseln im Gehirn geführt. Worauf diese Reaktion zurückgeht - ob auf den Impfstoff selbst, auf den Vektor (Verpackung) oder doch auf eine allgemeine Entzündungsreaktion -, müsse noch untersucht werden.
AstraZeneca-Impf-Stopp: Wichtige Fragen und Antworten
In Deutschland waren bis Ende März 31 Fälle einer Sinusvenen-Thrombose nach einer Impfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca bekannt, wie das PEI berichtet. In 19 Fällen wurde zusätzlich eine Thrombozytopenie gemeldet, in 9 Fällen war der Ausgang tödlich. Mit Ausnahme von 2 Fällen betrafen alle Meldungen Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren. Die beiden Männer waren 36 und 57 Jahre alt.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) haben das Ziel am Dienstagabend bekräftigt. Spahn appellierte an alle 60-Jährigen, das Impfangebot auch wahrzunehmen. Der Impfstoff sei sehr wirksam, gerade auch bei Älteren. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist optimistisch, dass die die Entscheidung keine großen Auswirkungen auf die Impfkampagne in Deutschland haben wird. "Wir werden eine kleine Delle haben von ein paar Tagen, wo es Verwirrung gibt, aber dann wird das Impftempo wieder voll anziehen", sagte er in den ARD-"Tagesthemen".
Grundlage für die Entscheidung, den Wirkstoff nur noch für über 60-Jährige anzubieten, war eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO), die auf derzeit verfügbare Daten zum Auftreten "seltener, aber sehr schwerer thromboembolischer Nebenwirkungen" basiert. Diese seien 4 bis 16 Tage nach der Impfung ganz überwiegend bei Personen im Alter unter 60 Jahren aufgetreten.
Dann gilt laut STIKO: "Nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung" können sich Personen unter 60 Jahren auch weiterhin mit AstraZeneca impfen lassen. Das sei aber nur in Hausarztpraxen vorgesehen.
Im Beschluss der Gesundheitsminister heißt es, die Länder sollen nun auch schon 60- bis 69-Jährige für das Vakzin von AstraZeneca mit in ihre Impfkampagnen einbeziehen können. "Dies gibt die Möglichkeit, diese besonders gefährdete und zahlenmäßig große Altersgruppe angesichts der wachsenden 3. Welle nun schneller zu impfen." Derzeit laufen Impfungen in den ersten beiden Prioritäts-Gruppen (Menschen ab 70 Jahre).
Schmerzen und Fieber - diese Nebenwirkungen sind normal
Nach einer Impfung kann dein Körper mit Nebenwirkungen reagieren. Das ist normal und sogar gewünscht - denn es zeigt, dass sich dein Körper mit der Impfung auseinandersetzt und dich immunisiert. So kann dein Immunsystem den echten Erreger im Falle einer Ansteckung bekämpfen und du erkrankst nicht an Corona.
Schwerwiegende Nebenwirkungen und Impfschäden sind laut Robert Koch-Institut sehr selten - dann aber meldepflichtig, damit die Behörden darauf reagieren können.
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