Der Bundestag entscheidet: Kommt die Corona-Impfpflicht in Deutschland?
- Veröffentlicht: 03.12.2021
- 17:45 Uhr
- Galileo
Die Impfpflicht ist umstritten - aber laut der Meinung vieler Expert:innen der einzige Weg aus der Krise. Jetzt soll der Bundestag darüber abstimmen. Ist eine Pflicht zur Impfung überhaupt juristisch umsetzbar? Alle Infos im Überblick. Im Clip: So unterscheiden sich die Impfstoffe.
Impfpflicht gegen Corona auch in Deutschland?
Lange Zeit lehnte die Politik eine Impfpflicht in Deutschland kategorisch ab. Durch eine niedrige Impfquote und steigende Infektionszahlen rückt sie immer mehr in den Bereich des Möglichen.
In vielen europäischen Ländern gibt es bereits eine Impfpflicht für Angestellte im Gesundheits- und Pflegebereich. Österreich geht noch einen Schritt weiter und führt die allgemeine Impflicht ab Februar 2022 ein.
Die Ministerpräsident:innen einigten sich bereits auf eine Impfpflicht in medizinischen Einrichtungen, die im Frühjahr 2022 in Kraft treten soll. Über eine allgemeine Impfpflicht herrscht hingegen noch kein Konsens. Der Bundestag soll ohne Fraktionszwang darüber abstimmen.
"Dieses Virus wird auf Dauer jeden Deutschen infizieren, der nicht geschützt ist durch eine Impfung", betonte Lothar Wieler, Präsident des RKI, schon vor einiger Zeit.
Steigende Zahlen, niedrige Impfquote: Die Impfpflicht als letztes Mittel?
🗣 In der Politik werden Stimmen für eine allgemeine Impfpflicht lauter. Auch der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich zuletzt dafür aus.
🗣 Im aktuellen Bund-Länder-Treffen war sowohl eine Verpflichtung für Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen als auch eine allgemeine Impfpflicht Gesprächsthema.
🗣 Über eine allgemeine Impfpflicht soll der Bundestag in einer Abstimmung ohne Fraktionszwang entscheiden. Bei besonders heiklen und ethischen Fragen haben die Abgeordneten so die Möglichkeit, nach eigenem Gewissen abzustimmen - und nicht nach Partei-Linie.
🗣 Befürworter:innen sehen die Impfpflicht nicht als Wellenbrecher, sondern als langfristigen Weg aus der Pandemie. Gewaltforscher:innen warnen hingegen vor weiteren Radikalisierungen möglicher Impf-Skeptiker:innen.
🗣 Niemand möchte "gerne eine Impfpflicht haben", sagte RKI-Chef Lothar Wieler. Als letztes Mittel müsse man aber auch darüber nachdenken.
🗣 Gleichzeitig soll auch der Impf-Status auslaufen. Da der Impf-Schutz nach einiger Zeit nachlässt, wird der Booster als Auffrischung nach 6 Monaten empfohlen. Auf EU-Ebene ist eine Begrenzung auf 9 Monate im Gespräch.
Die Impfpflicht für medizinisches Personal kommt
Die Regierungschefs der Länder haben sich darauf geeinigt, eine Impfpflicht für Angestellte im Gesundheitsbereich einzuführen. Sie soll ab dem 16. März 2022 gelten. Die Übergangsfrist soll allen Betroffenen die Möglichkeiten bieten, sich noch rechtzeitig impfen zu lassen. Ausgenommen von dieser Pflicht sind Beschäftigte, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können.
Mit dieser Regelung sollen vor allem ältere Menschen und jene mit Vorerkrankungen besser vor Corona geschützt werden. Der Deutsche Ethikrat sprach sich kürzlich ebenfalls für eine Impfpflicht in medizinischen Einrichtungen aus: "Beschäftigte, die schwer oder chronisch kranke sowie hochbetagte Menschen beruflich versorgen (...) tragen eine besondere Verantwortung dafür, die ihnen Anvertrauten nicht zu schädigen."
Eine Variante der Impfpflicht für bestimmte Gruppen besteht in Deutschland bereits: So gilt seit März 2020 eine Impfpflicht gegen Masern beziehungsweise die Nachweis-Pflicht einer Immunisierung gegen Masern für Lehrer:innen und Erzieher:innen sowie für Kinder bei der Aufnahme in Kitas und Schulen.
Wäre eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona gesetzlich in Deutschland möglich?
Eine Corona-Impfpflicht in Deutschland durchzubringen, wäre sicherlich nicht einfach. Während immer mehr Politiker:innen auf Grund steigender Infektionszahlen und einer stagnierenden Impfquote dafür plädieren, sehen andere verfassungsrechtliche Bedenken.
Generell ist die Einführung einer Impfpflicht für "bedrohte Teile der Bevölkerung" möglich, wenn mit einer epidemischen Verbreitung von übertragbaren Krankheiten mit schweren Krankheitsverläufen zu rechnen ist und dadurch etwa die Überlastung des Gesundheitssystems droht. Aktuell sehen viele Expert:innen diesen Fall gegeben.
Gleichzeitig ist die Impfpflicht ein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Deshalb muss in jedem Fall eine Verhältnismäßigkeit gegeben sein. Im Zweifel müssen Gerichte abwägen.
Eine endgültige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht auch bei der Masern-Impfpflicht noch aus.
Impfpflicht in anderen EU-Ländern: Für wen sie gilt und womit Ungeimpften rechnen müssen
🇫🇷 Frankreich führte eine Corona-Impfpflicht für Angestellte in Krankenhäusern, Alten- und Pflege-Heimen ein. Bis Mitte September mussten sich diese impfen lassen. Danach darf ungeimpftes Personal nicht mehr arbeiten und erhält keinen Lohn mehr.
🇬🇷 In Griechenland mussten sich bis Mitte August alle Beschäftigten in der Alten-Pflege und bis zum 1. September alle im Gesundheits-Sektor gegen Covid-19 impfen lassen, sonst können sie von ihrer Arbeit freigestellt werden. Darüber hinaus gilt die Impfpflicht für alle Wehrpflichtigen.
🇮🇹 In Italien gibt es bereits seit Mai eine Impfpflicht für Gesundheitspersonal. Ungeimpfte können vom Arbeitsplatz suspendiert werden oder eine Gehalts-Kürzung bekommen.
🇦🇹 Österreich hat hingegen eine allgemeine Impfpflicht beschlossen, die ab Februar 2022 für alle gelten soll. Verweigerern könnten Strafen von bis zu 7.200 Euro oder 4 Wochen Haft drohen.