Nawalny und Nord Stream 2: Was hat die Gift-Attacke mit einer Gas-Pipeline zu tun?
- Veröffentlicht: 08.09.2020
- 21:00 Uhr
- Galileo
Nach dem Gift-Anschlag auf den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny diskutiert die Bundesregierung über einen Abbruch von Nord Stream 2. Was hinter dem Projekt steckt und welche Folgen ein vorzeitiges Ende hätte, erfährst du hier.
Das Wichtigste in Kürze
Nach dem Giftanschlag auf den russischen Regierungskritiker Alexej Nawalny fordert die Bundesregierung von Russland eine Erklärung und droht mit Konsequenzen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte den Anschlag einen "versuchten Giftmord". Die Regierung in Moskau bezeichnete die Vorwürfe gegen Russland als "absurd".
Deutsche Politiker, vor allem von den Grünen und der FDP, fordern als Reaktion auf den Anschlag einen Stopp des Pipeline-Projekts Nord Stream 2.
Dadurch soll die russische Regierung unter Druck gesetzt werden. Denn mit Nord Stream 2 könnte sie die EU stärker von russischem Gas abhängig machen.
Alternative Sanktionen würden den Export beispielsweise von Maschinen für die russische Rohstoff-Förderung einschränken oder die Ausfuhr von Konsumgütern wie Luxusautos untersagen.
Im Zentrum der Debatte: Oppositionspolitiker Alexej Nawalny
Was ist das Projekt Nord Stream 2?
⚗️ Die 1.230 Kilometer lange Gas-Pipeline führt durch die Ostsee von Russland nach Deutschland.
📈 Damit sollen bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr nach Europa strömen. Die gleiche Menge strömt bereits durch die bestehende Pipeline Nord Stream 1 Richtung EU.
🏗 Das Projekt steht kurz vor der Fertigstellung, lediglich 150 Kilometer zwischen der Ostsee-Insel Bornholm und der deutschen Ostseeküste fehlen noch. Seit Ende 2019 allerdings blockieren die USA mit Sanktionen das Projekt.
💶 Die Pipeline-Gesellschaft gehört zu 100 Prozent dem russischen Staatskonzern Gazprom. Energieunternehmen aus Deutschland, Österreich, Frankreich und den Niederlanden beteiligen sich an der Finanzierung.
💡 Mit dem Ausstieg aus der Atomkraft und dem Ende von Kohlekraftwerken braucht Deutschland mehr Gas, um die Schwankungen bei Wind- und Solarenergie auszugleichen.
🔌 Über Nord Stream 2 bekämen Deutschland und die EU günstiges Gas aus Russland. Das bedeutet niedrige Energiepreise - die bei teurerem US-Flüssig-Gas nicht möglich wären.
Der fertige Nord Stream 2 und andere Erdgas-Pipelines von Russland nach Europa
Wer das Pipeline-Projekt stoppen will
Die USA wollen die Fertigstellung der Gaspipeline durch die Ostsee mit allen Mitteln verhindern. Ihr Kritikpunkt: die damit immer stärkere Abhängigkeit Europas von Russland.
Daher droht die US-Regierung allen an Bau und Betrieb Beteiligten Sanktionen an: Unternehmen, Personen und sogar Behörden.
Kritiker werfen den USA vor, lediglich ihr eigenes Gas nach Europa verkaufen und deshalb die Pipeline zwischen Russland und der EU verhindern zu wollen.
Auch in Osteuropa gibt es immer wieder Kritik an dem Projekt: Ländern wie Polen oder die Ukraine, durch die bisher Pipelines laufen, befürchten ein Wegbrechen der Transitgebühren.
Die EU-Kommission kritisierte immer wieder, dass das Projekt eine Abkehr von fossilen Energieträgern bremse.
Diese Folgen hätte ein Ende von Nord Stream 2
🇩🇪 Die Unternehmen und Investoren aus verschiedenen Ländern müssten bei einem Abbruch von Nord Stream 2 entschädigt werden - bisher wurden etwa 12 Milliarden Euro verbaut.
💰 Allerdings könnte es zudem auch noch Streit um Einnahmeausfälle für die Investoren und beteiligten Unternehmen geben. Schließlich hatten diese durch die Pipeline mit langfristigen Einnahmen gerechnet.
🇺🇸 Sollte die Ostsee-Pipeline durch die Sanktionen der USA endgültig gestoppt werden, könnten auf die US-Regierung Entschädigungsforderungen der beteiligten Investoren und Unternehmen zukommen.
🇷🇺 Ein Abbruch des Projekts hätte für beide Seiten bedeutende Folgen: Die EU ist von russischem Gas abhängig, für Russland ist die EU als Großkunde kaum zu ersetzen.
🕯 Kurzfristig wäre es für Deutschland möglich, den Bedarf an russischem Gas über die bereits bestehenden Pipelines zu decken. Langfristig allerdings müsste dann vermehrt auf teurere Alternativen gesetzt werden.
Nord Stream 2: Hier stellen die Macher ihr Projekt vor
Die Vorläufer von Nord Stream 2
Schon 1962 wollten deutsche Unternehmen Großröhren für den Bau von Gas- und Öl-Pipelines an die damalige Sowjetunion liefern. Ein von der US-Regierung durchgesetztes Röhren-Embargo stoppte den Export.
Ab 1970 schlossen die Bundesrepublik und die damalige Sowjetunion Verträge über die Lieferung von Gas nach Mitteleuropa.
Russland warf der Ukraine in den 1990er Jahren immer wieder vor, Gas aus den Pipelines abzuzweigen.
Bereits seit 2011 fließt durch Nord Stream 1 russisches Erdgas Richtung EU. Diese Pipeline verläuft parallel zur neuen Nord Stream 2 durch die Ostsee.
Russland ist inzwischen der wichtigste Gas- und Öl-Lieferant Deutschlands und der EU.