Prosopagnosie: Warum sich manche Menschen keine Gesichter merken können
- Veröffentlicht: 04.07.2023
- 14:45 Uhr
- Galileo
Hast du Schwierigkeiten, dir Gesichter zu merken? Vielleicht ist Prosopagnosie die Ursache. Was sich genauer hinter dieser Störung verbirgt, erfährst du hier. Im Clip: Warum wir in unangenehmen Situationen rot werden.
Das Wichtigste zum Thema Prosopagnosie
Unter dem Begriff Prosopagnosie wird eine Schwäche bei der Gesichtserkennung beziehungsweise im weiteren Sinne eine Gesichtsblindheit verstanden.
Für Betroffene sehen alle Menschen gleich aus. Sie können andere (oder teils sogar sich selbst) nicht durch Gesichtsmerkmale wiedererkennen.
Der Wortbestandteil "Prosop" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "Gesicht". Unter einer "Agnosie" wird medizinisch eine Störung des Erkennens verstanden, unter anderem von visuellen Eindrücken.
Warum manche keine Gesichter wiedererkennen
Sind Menschen kaum in der Lage, andere anhand des Gesichts zu erkennen, wird diese Störung der visuellen Wahrnehmung unter dem Begriff Prosopagnosie erfasst. Die Menschen, die darunter leiden, werden dementsprechend Prosopagnostiker:innen genannt.
Schätzungen von Fachleuten zufolge leiden 2,5 Prozent der Menschen unter Prosopagnosie. In Bezug auf Deutschland entspricht dies ungefähr zwei Millionen Betroffenen. Häufig bleibt Prosopagnosie unentdeckt.
Zwar können Prosopagnostiker:innen Nase, Augen oder Lippen einzeln wahrnehmen. Auch können sie das Alter, Geschlecht sowie Emotionen im Gesicht ablesen. Deshalb ist die Zuschreibung "gesichtsblind" nicht ganz zutreffend.
In der Gesamtheit haben Betroffene jedoch Schwierigkeiten, aus den separaten visuellen Eindrücken eine Person zu identifizieren.
Um im Alltag unangenehmen Situationen entgegenzuwirken, entwickeln Betroffene Behelfslösungen: Sie nehmen weitere Erkennungsmerkmale wie die Stimme, Frisur oder den Gang einer Person hinzu, um diese zu identifizieren.
Prosopagnosie: Einordnung der Gesichtserkennungsschwäche
📑 Fachleute unterscheiden grundsätzlich zwischen angeborener Prosopagnosie, die vermutlich genetisch bedingt ist, und erworbener Prosopagnosie infolge von Unfällen oder Erkrankungen wie einem Schlaganfall.
👥 Außerdem variiert das Ausmaß der Gesichtserkennungsschwäche mitunter deutlich: Während einige lediglich in untypischen Situationen Probleme beim Wiedererkennen haben, erkennen andere nicht einmal den Freundeskreis, Verwandte oder im Extremfall das eigene Gesicht.
👀 Teilweise wird Prosopagnosie mit Autismus verwechselt. Im Gegensatz zu Autist:innen weichen Prosopagnostiker:innen jedoch im Zweifel Augenkontakt nicht aus, weil es ihnen unangenehm wäre. Vielmehr würde ihnen dieser ohnehin kaum bei der Identifikation des Gegenübers helfen.
👩🔬 Eine Therapie zur Behandlung oder Heilung von Prosopagnosie existiert noch nicht. Überhaupt bildet die Störung ein Forschungsfeld mit noch vielen offenen Fragen, an deren Klärung Wissenschaftler:innen arbeiten.
Hier erfährst du noch mehr zum Thema
Technische Universität Dresden: Prosopagnosie
Universität Münster: Ein Gesicht sieht aus wie das andere
Universität Bochum: Woher kommt Prosopagnosie?
Grüter, T. et al. (2008): Neural and genetic foundations of face recognition and prosopagnosia
Rivolta D. (2014): Prosopagnosia. When all faces look the same
Häufige Fragen zu Prosopagnosie
Der Begriff Prosopagnosie erfasst die Schwäche von schätzungsweise 2,5 Prozent der Menschen, Schwierigkeiten bei der Gesichtserkennung zu haben. Umgangssprachlich wird dies häufig Gesichtsblindheit genannt, was aber ungenau ist: Prosopagnostiker:innen können einzelne Bereiche des Gesichts wahrnehmen - diese Merkmale jedoch nicht zusammenfügen, um daraus eine Person zu identifizieren.
Zum einen kann Prosopagnosie angeboren sein. Vermutlich wird diese Form vererbt, allerdings konnten Studien noch keinen genetischen Marker für Prosopagnosie nachweisen. Zum anderen können etwa ein Schädel-Hirn-Trauma oder ein Schlaganfall Prosopagnosie auslösen.
Bisher gibt es keine Therapien zur Behandlung oder Heilung von Prosopagnosie. Betroffenen bleiben lediglich Behelfslösungen für den Alltag, indem sie etwa zum Wiedererkennen einer Person weitere Erkennungsmerkmale wie die Stimme, Frisur oder den Gang hinzunehmen.