Retuschierte Werbung: Müssen bearbeitete Bilder bald gekennzeichnet werden?
- Veröffentlicht: 16.08.2022
- 18:45 Uhr
- Chris Tomas
Retuschierte Bilder: Um auf Fotos makellos auszusehen, helfen vor allem Werbetreibende gern nach. Muss die Bildbearbeitung bald gekennzeichnet werden? Norwegen hat jetzt ein solches Gesetz erlassen. Im Clip: Wie Instagram die Welt verändert.
Das Wichtigste zum Thema retuschierte Werbung
Das Aussehen einer Person wurde auf einem Werbefoto geschönt? In Norwegen muss Bildbearbeitung jetzt mit einem gut sichtbaren Hinweis gekennzeichnet werden.
Der Grund: In den sozialen Medien präsentieren sich viele Menschen mit scheinbar perfektem Körper. Das führt zu unrealistischen Schönheitsidealen. Eine Kennzeichnungspflicht soll dem entgegenwirken.
Auch in Deutschland ist so etwas angedacht. Auf ihrer diesjährigen Konferenz in Hamburg haben die Gleichstellungsminister:innen die Bundesregierung aufgefordert, eine Kennzeichnungspflicht für retuschierte Bilder einzuführen.
Was hältst du von einer Kennzeichnungspflicht für retuschierte Bilder?
Was wurde in Norwegen beschlossen?
Seit dem 1. Juli 2022 müssen Werbetreibende in Norwegen angeben, wenn sie auf einem Foto das Aussehen einer Person verändert haben. Gemeint ist damit die Bearbeitung der Gesichts- und Körperform sowie der Größe. Die Taille schmaler machen oder einen Sixpack herbeizaubern - so etwas muss jetzt markiert werden.
Die Regelung gilt nicht nur für klassische Werbefotos, sondern auch für Influencer:innen. Auf bearbeiteten Bildern müssen sie ein gut sichtbares Label anbringen, auf dem "retuschierte Person" steht. Dieses Label muss mindestens sieben Prozent der Bildfläche ausmachen.
Nicht gekennzeichnet werden muss, wenn das gesamte Bild bearbeitet wurde, als zum Beispiel aufgehellt oder scharfgezeichnet. Außerdem gilt das Gesetz nur für kommerzielle Fotos, nicht für private Darstellungen.
Norwegen ist nicht das erste Land, das ein solches Gesetz beschlossen hat. In Frankreich gilt das "Photoshop-Gesetz" seit 2017, in Israel sogar schon seit 2013. Wer dagegen verstößt, dem drohen hohe Bußgelder.
So sieht die Kennzeichnung aus
Kennzeichnungspflicht: die Vor- und Nachteile
👍 Mehr Sensibilität für bearbeitete Fotos: Ein Label wie das norwegische schafft Aufmerksamkeit dafür, wie viele Bilder tatsächlich geschönt werden.
👍 Insbesondere jüngere Menschen werden dadurch besser vor wirklichkeitsfernen Körperidealen geschützt. Sie lernen, dass solche Darstellungen nicht der Realität entsprechen.
👍 Deutschland will sogar noch mehr als Norwegen: Hier soll die Kennzeichnungspflicht für alle kommerziell Tätigen sowie für Influencer:innen mit hoher Reichweite kommen.
👍 Kleinere Veränderungen sind weiterhin erlaubt. Das Gesetz verbietet nicht, einen [Pickel]https://www.galileo.tv/gesundheit/nervige-pickel-an-armen-und-beinen-was-gegen-reibeisenhaut-hilft/) verschwinden zu lassen oder gelbe Zähne etwas aufzuhellen.
👎 Unklar ist, wie man Verstöße nachweisen will. Zudem gibt es zwischen keiner Veränderung oder starker Veränderung einen großen Graubereich.
👎 Ebenfalls fraglich ist, ob die Kennzeichnung überhaupt etwas bringt, ob sie beispielsweise dazu beiträgt, die Zahl der Essstörungen zu senken.
👎 Sinnvoller als eine Kennzeichnung: In einigen Ländern wie z. B. Frankreich müssen Models ein Gesundheitszeugnis zum Fotoshooting mitbringen und dürfen einen Body-Maß-Index (BMI) von 18,5 nicht unterschreiten. Das fehlt in Deutschland.
Hintergrund: Immer mehr Jugendliche haben Essstörungen
Aktuelle Zahlen zeigen, dass seit der Corona-Pandemie mehr junge Menschen unter Essstörungen leiden. Die Krankenkasse DAK-Gesundheit schreibt in ihrem Kinder- und Jugendreport, dass Magersucht und Bulimie im Jahr 2020 um fast zehn Prozent zunahmen. Auswertungen der KKH Kaufmännischen Krankenkasse zeigen ein Plus von rund 7 Prozent.
Ein möglicher Grund dafür, neben der psychischen Belastung: Junge Menschen haben zuletzt sehr viel mehr Zeit im Internet verbracht. Für vielen waren die sozialen Medien zeitweise der einzige Kontakt zur Außenwelt. Dadurch wurden sie aber auch andauernd mit geschönten Bildern konfrontiert. Und die Vergleichsmöglichkeiten im Alltag fielen weg, da Treffen nicht mehr stattfanden.