Supreme Court: Macht das Oberste Gericht Donald Trump zum Wahlsieger?
- Veröffentlicht: 06.11.2020
- 12:16 Uhr
- Galileo
Während die Stimmen der US-Wahl noch ausgezählt werden, erklärt sich Donald Trump schon zum Sieger. Der US-Präsident will die Auszählung stoppen lassen, notfalls vom Obersten Gerichtshof der USA, dem Supreme Court. Aber darf er das überhaupt?
Das Wichtigste zum Thema US-Wahl vor Gericht
Er hat es wieder getan: Donald Trump liefert sich entgegen vieler Erwartungen wie schon bei der US-Wahl 2016 ein enges Rennen um die US-Präsidentschaft.
Vorherige Umfragen sahen eigentlich den demokratischen Herausforderer Joe Biden als klaren Sieger.
Amtsinhaber Donald Trump beansprucht den Wahlsieg sogar bereits für sich, obwohl noch Stimmen ausgezählt werden.
Weil er (nicht bewiesene) Vorurteile gegenüber Briefwahlen hat, will Trump die weitere Auszählung stoppen lassen und notfalls vor dem Supreme Court klagen.
Dadurch droht ein wochenlanger Rechtsstreit. Eigentlich müssen alle US-Bundesstaaten ihre Endergebnisse bis zum 8. Dezember melden, damit die Wahlmänner am 14. Dezember den nächsten US-Präsidenten wählen können.
Donald Trump will mit richterlicher Hilfe US-Präsident bleiben
Donald Trump sieht sich als Sieger der US-Wahl 2020 – obwohl die Auszählung der Wahlstimmen noch läuft.
Um seinen angeblichen Sieg durchzuboxen, will er sogar bis vor den Obersten Gerichtshof der USA ziehen, den Supreme Court.
Sieh dir Donald Trumps "Siegesrede" im Video an
Kurz nach der Schließung der Wahl-Lokale kündigte Donald Trump via Twitter eine Stellungnahme zum großen Sieg ("big WIN") an. Obwohl noch nicht alle Stimmen ausgezählt sind, erklärt er sich zum Sieger.
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Warum macht Trump das?
Wegen der Corona-Pandemie stimmten viele US-Bürger per Briefwahl ab. Vor allem Anhänger des Demokraten-Duos Joe Biden und Kamala Harris haben ihre Stimme vermehrt per Brief abgegeben.
😧 Donald Trumps Angst
Durch die Briefwahlstimmen könnte sich das Wahlergebnis in den umkämpften Swing States wie Pennsylvania noch zugunsten Joe Bidens wenden. Wegen des Winner-Takes-All-Prinzips im US-Wahlsystem können wenige Stimmen über Sieg und Niederlage entscheiden.
Noch zieht sich die Auszählung der Briefwahlstimmen wegen unterschiedlicher Fristen in den US-Bundesstaaten hin. Das will Donald Trump stoppen.
🙉 Seine unbewiesenen Behauptungen
Er meint: Briefwahlen begünstigen Wahl-Betrug. Ohne jegliche Belege streut der 45. US-Präsident bereits seit Wochen Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Briefwahlen.
Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sehen bei der US-Wahl 2020 bislang keine Anzeichen für Unregelmäßigkeiten oder gar Betrug.
Wer würde vorm Supreme Court gewinnen?
Damit Joe Biden die US-Wahl 2020 nicht womöglich aufgrund von Briefwahlstimmen gewinnt, will Donald Trump offenbar vor dem Supreme Court klagen. Joe Biden wiederum hat bereits angekündigt, mit vielen Anwälten für mögliche Streitfälle gerüstet zu sein.
Am Supreme Court hätte Trump vielleicht einen Vorteil: Am Obersten Gerichtshof der USA sitzen 6 Richter, die von Republikanischen Präsidenten nominiert wurden, und nur 3 Richter, die Demokraten vorgeschlagen haben. Erst kürzlich wurde Amy Coney Barrett auf Empfehlung von Donald Trump vereidigt.
Das ist der Haken an Trumps Plan
Donald Trump kann den Supreme Court nicht direkt "anrufen". In den USA gibt es auf Bundesebene weder ein Wahlamt noch einen Bundeswahlleiter. Alle 50 Bundesstaaten und die Hauptstadt Washington D.C. haben eigene Wahlgesetze. Klagen zum Wahlprozess müssen also zuerst an den jeweils höchsten Gerichten der Bundesstaaten ausgefochten werden.
Eigentlich müsste Trump also vor 51 Gerichte ziehen. Das ist aber wenig wahrscheinlich. Vermutlich wird er sich auf Bundesstaaten mit knappen Wahlergebnissen wie Pennsylvania beschränken. In den US-Staaten Michigan und Georgia haben Richter die Klagen von Trumps Team bereits abgewiesen.
Erst, wenn die höchsten Gerichte der Bundesstaaten keine Lösung finden, könnten die Klagen vor dem Supreme Court landen.
🤓 Was die Richter am Supreme Court entscheiden dürfen
Über das Wahlergebnis an sich können die Richter am Obersten US-Gericht ohnehin nicht urteilen. Sie dürfen aber etwa zulässige Fristen, Auszählungsregeln und die Gültigkeit von Stimmen beschließen.
Dadurch könnten die Richter ein vorläufiges Wahlergebnis kippen oder als endgültig bestätigen.
Bush gegen Gore im Jahr 2000: Auch bei der Wahl war es unheimlich eng
👨⚖ In der Geschichte wäre es nicht das 1. Mal, dass der Supreme Court in eine knappe US-Wahl eingreift. Beim Duell zwischen dem Republikaner George W. Bush und dem Demokraten Al Gore im Jahr 2000 ging der Rechtsstreit auch bis zum Obersten Gerichtshof der USA.
📊 Am 8. November 2000 schien Bush bereits der Wahlsieger zu sein. Doch im US-Bundesstaat Florida zeigte sich: Nur wenige hundert Stimmen sicherten Bush die 25 Wahlmänner und damit den Wahlsieg. Eine Neu-Auszählung war notwendig.
✋ Die Republikaner sahen ihren hauchdünnen Vorsprung in Gefahr und reichten Klage ein. Der Rechtsstreit über die Neu-Auszählung zog sich über einen Monat hin, bis vor den Supreme Court.
🛑 Erst im Dezember 2000 entschieden die Richter am Obersten US-Gericht, dass es verfassungsrechtliche Bedenken gegen Hand-Auszählungen gab. Die höchsten US-Richter stoppten die Nachzählung mit einem ebenso knappen Beschluss (5:4). Die entscheidenden 25 Wahlmänner gingen an Bush.
🇺🇸 Dadurch wurde George W. Bush der 43. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Manch andere Juristen fanden die Urteilsbegründung schon damals fragwürdig. Dennoch beugte sich Al Gore dem Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA.