Wirksam und sicher? Wie neue Arzneimittel geprüft werden
- Veröffentlicht: 18.02.2021
- 15:52 Uhr
- Galileo
Egal, ob Corona-Impfstoff oder Kopfschmerz-Tablette: Bevor Arzneien auf den Markt kommen, werden sie genau getestet. Sie müssen wirksam sein und dürfen auf keinen Fall schlimme Nebenwirkungen verursachen. Wie das sichergestellt wird.
Das Wichtigste zum Thema Arzneimittel-Prüfung
Alle neuen Medikamente und Impfstoffe müssen diese Phasen durchlaufen: Entwicklung, vorklinische Phase mit Versuchen an Zellen und Tieren, klinische Phase I bis III mit Versuchen an Menschen, Zulassung. Details dazu unten.
Um möglichst wenig Menschen zu gefährden, wird die Zahl der Probanden in der klinischen Phase nach und nach erhöht - von ein paar Dutzend auf Zehntausende.
Ziel der Tests ist es, zu klären, ob das Arzneimittel wirksam, sicher und arm an Nebenwirkungen ist. Zudem werden die beste Dosis und mögliche Gegen-Anzeigen wie Vorerkrankungen ermittelt.
Sind die Ergebnisse aller Phasen positiv, beantragt die Pharma-Firma eine Zulassung bei der Gesundheits-Behörde. Erst wenn die genehmigt ist, darf das Medikament oder der Impfstoff auf den Markt.
Bis ein neues Arzneimittel für die Bevölkerung zugängig ist, dauert es in der Regel Jahre bis Jahrzehnte. Wie die bereits zugelassenen Corona-Impfstoffe zeigen, kann es im Notfall allerdings schneller gehen.
Möglich war dies unter anderem durch Vorerfahrungen mit SARS-Viren, die intensive Zusammenarbeit der Hersteller mit den Behörden, und weil mehrere Phasen parallel liefen. Die Impfstoffe haben trotzdem alle Tests durchlaufen und erfüllen die Qualitäts-Anforderungen.
Forschung und Arzneimittel-Entwicklung
Bevor Forscher ein neues Arzneimittel entwickeln, untersuchen sie die Krankheit, das Leiden und/oder den Krankheitserreger genau.
- Bei Medikamenten geht's um die Frage: Was passiert bei der Krankheit im Körper? Wodurch wird sie verursacht? Was fördert das Leiden?
- Bei Impfstoffen interessiert sie vor allem: Wie ist der Krankheitserreger aufgebaut? Wie schadet er dem Körper? Welche Bestandteile des Erregers eignen sich am besten für einen Impfstoff?
Nach gründlicher Forschung entwickeln sie das Arzneimittel mit Hilfe von Computer-Programmen und Labor-Tests. Neben dem Wirkstoff oder der Wirkstoff-Kombination sind meist auch Zusatz-Stoffe nötig. Die sorgen beispielsweise für Haltbarkeit oder dafür, dass der Wirkstoff an der richtigen Stelle im Körper freigesetzt wird.
Vorklinische Phase: Versuche an Zellen und Tieren
Klinische Phase I
1️⃣ Für den ersten Test des neuen Arzneimittels am Menschen wählt man rund 20 bis 100 gesunde Freiwillige aus. Es gibt aber Ausnahmen: So testet man neue Medikamente zur Behandlung einer tödlichen Krankheit wie Krebs auch an betroffenen Freiwilligen.
1️⃣ Ziel der Phase I ist es, herauszufinden, ob die Arznei im Großen und Ganzen sicher und verträglich ist, ob sie in der Lage sein könnte, die Erkrankung/das Leiden zu verhindern oder zu mindern, welche Dosis ungefähr nötig ist, ob sie zur gewünschten Körperstelle gelangt und dort auch so lange bleibt, bis sie wirkt.
Klinische Phase II
2️⃣ In Phase II wird die Arznei an mehreren hundert Menschen getestet. Bei Medikamenten sind dies meist Patienten, die an der Krankheit leiden.
2️⃣ Ziel ist es, herauszufinden, wie wirksam die Arznei ist, welche genaue Dosierung optimal und ob sie wirklich sicher ist. Die Wirksamkeit wird meist mit Hilfe von 2 Probanden-Gruppen überprüft: Gruppe A bekommt das Medikament/den Impfstoff, Gruppe B nur ein Placebo oder ein bereits zugelassenes Mittel.
Klinische Phase III
3️⃣ An der Phase-III-Studie nehmen mehrere hundert bis zehntausende Probanden teil. Es werden nun auch Ältere miteinbezogen und auf Diversität geachtet. Normalerweise dauert diese Phase einige Jahre.
3️⃣ Ziel der letzten Phase ist es, die Sicherheit, Wirksamkeit der Arznei und die in Phase II ermittelte "beste" Dosis zu bestätigen und sicherzustellen.
3️⃣ Die große Probanden-Zahl ermöglicht es auch, Nebenwirkungen und Gegen-Anzeigen zu ermitteln. So kann es sein, dass ein Arzneimittel bei Älteren oder bei bestimmten Vorerkrankungen schlechter wirkt.
3️⃣ Nutzt die Arznei mehr als sie schadet? Auch das wird in der Phase III untersucht, ebenso wie sie im Vergleich zu verfügbaren Mitteln dasteht.
Begutachtung und Zulassung
📝 Sind die Ergebnisse der Phase III positiv, beantragen die Pharma-Firmen bei den Zulassungs-Behörden der jeweiligen Länder eine Zulassung.
🏢 Dafür zuständig ist in Europa die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und in Deutschland zusätzlich das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), also das Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel.
👨🔬 Staatlich beschäftigte, unabhängige Wissenschaftler prüfen die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Arzneimittels auf Basis der vom Antragsteller vorgelegten Daten.
🔎 Darunter: Angaben zur Herstellung, vorklinische und klinische Ergebnisse, Fach-Literatur, Überlegungen zur langfristigen Überwachung. Kommen Fragen auf, stellt diese die Behörde den Antragstellern und fordert eventuell Daten nach.
⚖ Die Arznei wird zugelassen, wenn der Nutzen die eventuellen Risiken überwiegt.
👉 Alle Covid-19-Impfstoffe haben eine bedingte Zulassung, die bei bedrohlichen Erkrankungen möglich ist. Die Hersteller müssen noch weitere Daten aus laufenden Studien an die Behörden übermitteln.
Überwachung von Arzneimitteln nach der Markteinführung
Arzneien, insbesondere Impfstoffe, werden auch nach der Zulassung überwacht. Es gilt, seltene Nebenwirkungen zu erfassen und zu verstehen: Wann und bei wem treten sie auf?
Häufen sich die Fälle, werden entsprechende Warn-Hinweise in der Gebrauchs-Information ergänzt oder sogar die Zulassung entzogen.
Ärzte sind deswegen verpflichtet, Auffälligkeiten zu melden. Patienten können aber auch selbst vermutete Nebenwirkungen übermitteln.