Urteil
Klage gegen Legasthenie-Vermerk in Zeugnis am BVerfG erfolgreich
- Veröffentlicht: 22.11.2023
- 18:09 Uhr
- Momir Takac
Die Karlsruher Richter sagten allerdings nicht, dass Hinweise in Zeugnissen, die Schwächen dokumentieren, grundsätzlich unerlaubt sind.
Das Wichtigste in Kürze
Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass Legasthenie-Vermerke in Zeugnisse erlaubt sind.
Solche Hinweise dürften allerdings nicht nur auf Legastheniker:innen begrenzt werden.
Drei Abiturienten aus Bayern hatten mit ihrer Klage Erfolg.
Das Bundesverfassungsgericht hat ein wegweisendes Urteil zu Zeugnisvermerken über Lese-Rechtschreib-Störungen gesprochen. Laut den Karlsruher Richter:innen benachteiligen solche Hinweise in Abiturzeugnissen Schüler:innen, da sie behinderungsbedingte Leistungsdefizite offenlegen.
Legasthenie-Vermerke beeinträchtigen grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrechte und können Erfolgschancen bei Bewerbungen verschlechtern. Dennoch gab das BVerfG drei Abiturienten aus Bayern recht, die einen solchen Hinweis in ihrem Zeugnis hatten.
Legasthenie-Vermerk in Zeugnis: Bundesverfassungsgericht gibt Klägern recht
Zwar könnten Vermerke dieser Art verfassungskonform und im Sinne einer Chancengleichheit sogar geboten sein, doch dürften sie nicht nur auf Legastheniker:innen begrenzt werden. Bei den drei Klägern war das so, weshalb das höchste deutsche Gericht in ihrem Sinne entschied und anderslautende Urteile des Bundesverwaltungsgerichts aufhob. Der Erste Senat wies an, den Männern Zeugnisse ohne Bemerkung auszustellen.
Vertreter von Fachverbänden sehen in dem Urteil vor allem einen Erfolg, weil es Legasthenie als Behinderung im Sinne des Grundgesetzes anerkennt. Damit hätten betroffene Kinder dringenden Schutzbedarf - auch in der Schule, sagte Gerd Schulte-Körne von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Die Kinder müssten Raum bekommen, ihren Begabungen entsprechend die Schule zu besuchen und bewertet zu werden. "Und da gibt es dringenden Handlungsbedarf."
Je mehr Vermerke in Zeugnissen stehen, desto besser können Arbeitgeber Bewerber vergleichen
Die Folge des Urteils könnte sein, dass künftig mehr Vermerke in Zeugnissen stehen. Denn dem Bundesverfassungsgericht zufolge stellen die Hinweise Transparenz her. Das gelte insbesondere mit Blick auf das Abitur als Nachweis der allgemeinen Hochschulreife, sagte Präsident Stephan Harbarth.
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Werden im Einzelfall nicht erbrachte Leistungen offengelegt, erhöht das den Erklärungen zufolge die Aussagekraft und Vergleichbarkeit der Zeugnisse - und daran bestehe ein öffentliches Interesse. Nur so könnten zum Beispiel Arbeitgeber bei der Auswahl von Bewerbern deren unterschiedliche Leistungsfähigkeit auch tatsächlich vergleichen.
Viele Bundesländer ermöglichen Notenschutz
Es gehe aber nicht, dass Schüler:innen mit anderen Behinderungen keine Zeugnisvermerke bekommen, obwohl einzelne Teilleistungen nicht bewertet wurden. So wurde es im fraglichen Zeitraum in Bayern gehandhabt.
Bei dem Thema geht es um den sogenannten Notenschutz, den viele Bundesländer - darunter Bayern - ermöglichen. Dann lassen Lehrkräfte auf Antrag die Rechtschreibung nicht in die Noten einfließen und vermerken im Zeugnis, dass sie die Leistung anders bewertet haben.
Zudem bekommen Menschen mit Behinderung in Schulprüfungen einen "Nachteilsausgleich". Das kann zum Beispiel bei Legastheniker:innen bedeuten, dass sie mehr Zeit zum Schreiben einer Arbeit haben. Linken-Chefin Wissler will Noten und Hausaufgaben abschaffen.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa