Kanzler-Interview im Flieger
Merz deutet Kehrtwende bei Europas Nuklearschutz an - und warnt Trump
- Aktualisiert: 08.05.2025
- 05:41 Uhr
- Rebecca Rudolph
In einem seiner ersten Interviews als Kanzler spricht Friedrich Merz über Europas Sicherheit, das Verhältnis zu den USA – und zeigt sich erstmals offen für Gespräche über einen französischen Atomschutzschirm.
Das Wichtigste in Kürze
Kanzler Merz zeigt sich erstmals offen für Gespräche über einen französischen Atomschutzschirm für Deutschland.
Im Verhältnis zu den USA warnt Merz vor Strafzöllen und fordert eine Rückkehr zu fairen Handelsbeziehungen.
Mit Blick auf die AfD-Kritik aus Washington betont Merz, dass sich die USA nicht in deutsche Innenpolitik einmischen sollten.
In einem der ersten Interviews nach seinem Amtsantritt hat Bundeskanzler Friedrich Merz außenpolitische Akzente gesetzt. Im "WELT-Talk Spezial" auf WELT TV, aufgezeichnet an Bord des Kanzlerflugzeugs, sprach Merz mit WELT-Chefredakteur Jan Philipp Burgard über zentrale sicherheitspolitische Themen – darunter das transatlantische Verhältnis, mögliche Strafzölle unter Donald Trump und einen europäischen Nuklearschirm.
Merz zeigt sich offen für Gespräche über eine mögliche atomare Abschreckung unter europäischer Führung. Frankreich hatte Deutschland bereits in der Vergangenheit angeboten, über eine nukleare Schutzgarantie zu sprechen. Bisher war das in Berlin ein Tabuthema – doch der neue Kanzler scheint bereit, dieses zu brechen.
"Ich habe diesen Gedanken aufgenommen und habe gesagt: Ja, wir können darüber reden […] Frankreich hat das Angebot gemacht, wenigstens darüber zu reden – ein solches Angebot nehme ich an", erklärt Merz im Interview.
Gleichzeitig macht Merz aber deutlich, dass ein europäischer Schutzschirm den nuklearen Schutz der USA im Rahmen der NATO nicht ersetzen könne:
Wir können den nuklearen Schutz der Vereinigten Staaten von Amerika innerhalb des NATO-Bündnisses nicht aus eigener Kraft in Europa ersetzen.
Friedrich Merz
Trump soll sich aus deutscher Innenpolitik heraushalten
Auch in Richtung Washington äußert sich Merz unmissverständlich. Nach den jüngsten Äußerungen von Donald Trump zu Strafzöllen kündigt der Kanzler an, zeitnah mit dem US-Präsidenten sprechen zu wollen: "Die Beziehungen zwischen Wirtschaftsnationen sind kein Nullsummenspiel. Wir würden gerne den Handel erleichtern – und nicht weiter erschweren." Er wolle dem US-Präsidenten erklären, dass Zölle "allen Beteiligten schaden".
Außerdem fordert Merz, dass sich die USA aus der deutschen Innenpolitik heraushalten. Hintergrund ist Kritik aus Washington an der Einstufung der AfD als rechtsextrem durch deutsche Behörden. Merz reagiert darauf betont nüchtern: "Wir haben uns jedenfalls weitgehend – und das gilt in jedem Falle für meine Person – aus dem amerikanischen Wahlkampf in den letzten Jahren herausgehalten."
Die Erwartung an Washington ist für den Kanzler klar: "Ich bitte doch umgekehrt auch zu akzeptieren (…), wie wir mit Parteien umgehen, die zum Beispiel von den Nachrichtendiensten als rechtsextremistisch eingestuft werden."
Darauf angesprochen, wie Merz den US-Präsidenten auf seine Seite ziehen möchte, etwa mit einer gemeinsamen Runde Golf (Merz und Trump spielen beide Golf), blieb der Kanzler zurückhaltend: "Das weiß ich noch nicht, ob das eine gute Idee ist."
- Verwendete Quelle: