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So kommentiert die Welt

Presseschau zu Putins Scheinwahl: "Kann nur von Russen selbst gestürzt werden"

  • Veröffentlicht: 18.03.2024
  • 10:50 Uhr
  • Lena Glöckner

Das Ergebnis stand von vornherein fest: Mitten im Krieg präsentiert der Machtapparat Putin mit einem angeblichen Rekordergebnis als haushohen Wahlsieger. Doch der Protest war nicht zu übersehen. Die Presseschau zu Russlands Scheinwahl.

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Nach der als Farce kritisierten Präsidentenwahl in Russland feiert der Machtapparat Kremlchef Wladimir Putin an diesem Montag (18. März) als haushohen Sieger. Nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmzettel erhält der 71-Jährige, der seit rund einem Vierteljahrhundert an der Macht ist, laut der Wahlkommission mehr als 87 Prozent. Beobachter stufen die von Protesten begleitete Abstimmung als undemokratisch ein, weil keine echten Oppositionskandidat:innen zugelassen waren.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach Putin "jede Legitimität" ab. "Diese Wahlfälschung hat keine Legitimität und kann keine haben", sagte Selenskyj in seiner in Kiew verbreiteten abendlichen Videoansprache. "Diese Figur (Putin) muss auf der Anklagebank in Den Haag landen - dafür müssen wir sorgen, jeder auf der Welt, der das Leben und den Anstand schätzt." Wegen des Vorwurfs der Kriegsverbrechen in der Ukraine gibt es einen Haftbefehl des Weltstrafgerichts in Den Haag gegen Putin.

Im Video: newstime-Reporter berichtet aus Moskau - so lief die Scheinwahl ab

Reporter in Moskau: So lief die russische Präsidentschaftswahl ab

Deutsche Außenpolitiker erhoben ebenfalls schwere Vorwürfe gegen Putin. "Es handelt sich um die unfreiesten Fake-Wahlen seit Ende der Sowjetunion", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), dem "Tagesspiegel" (Montag). "Putins Regime hat faschistische und totalitäre Züge." Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sprach von einer "Farce", die der Scheinlegitimierung des Kriegs Putins gegen die Ukraine diene. So kommentiert die nationale und internationale Presse.

Deutsche Medien: "Putin kann nur von den Russen selbst gestürzt werden"

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Der Widerhall des Aufrufs der Opposition, als Zeichen des Protests gemeinsam um zwölf Uhr mittags zur Wahl zu gehen, hat nach dem öffentlichen Gedenken für den getöteten Nawalny noch einmal sichtbar gemacht, dass die russische Bevölkerung nicht so geschlossen hinter Putin und seinem Krieg gegen die Ukraine steht, wie er das gerne glauben machen möchte. Aber es ist wenig wahrscheinlich, dass aus diesem symbolischen Widerspruch eine neue politische Bewegung entsteht. … Und sogar diese subversive Weise der Teilnahme an der 'Wahl' ist nicht ohne Risiko. … Der Diktator Wladimir Putin hat sein Land nach dieser Wahlfarce noch fester im Griff als zuvor. Umso wichtiger ist es, ihm von außen Widerstand entgegenzusetzen – und das bedeutet derzeit vor allem: durch massive Unterstützung für die von ihm überfallene Ukraine."

"Leipziger Volkszeitung": "Putins Machtdemonstration soll auch nach außen wirken. Er weiß, dass wir wissen, dass er nicht demokratisch bestätigt wurde. Und er reibt es uns unter die Nase: Er konnte die Krim erobern und die Ostukraine in den Krieg stürzen, ohne dass wir ihn fallen ließen. Er konnte Nawalny vergiften lassen, ohne dass westliche Sanktionen verschärft wurden. Er konnte die Ukraine überfallen, ohne dass das vermeintlich starke Europa ihn stoppen kann. Putin kann nur von den Russen selbst gestürzt werden. Tun sie es nicht, stirbt er wie sein heimliches Vorbild Stalin, als Herrscher. Davor entscheidet sich, wer ihm dann folgt: Machthaber, die sein Werk fortsetzen – oder die von ihm abrücken? Deutschland muss begreifen: Der Putinismus wird nur überwunden, wenn die Russen ihn als Fehler begreifen."

"Neue Osnabrücker Zeitung": "Auf den in seinen Augen degenerierten Westen wird Putin weiter als wichtiges Feindbild setzen. Nicht ausgeschlossen, dass der Kriegstreiber innerhalb der nächsten Jahre einen Versuch starten wird, den Bündnisfall nach Artikel 5 zu provozieren, um die Entschlossenheit der Nato auf die Probe zu stellen. In Europas Sicherheitsgefüge bleibt Präsident Putin auf absehbare Zeit die große Unbekannte. Das ist schade für Russland - denn nichts wünschte man sich mehr, als eine Rückkehr zu kulturellem und wirtschaftlichen Austausch. Solange Wladimir Putin an der Macht ist, wird daraus aber nichts. Leider."

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EU trauert um die Hoffnung: "Regime formt den 'homo putinicus'"

"Hospodarske noviny" (Tschechien): "Das Ergebnis der sogenannten Präsidentenwahl in Russland war von vornherein klar. Die endgültigen Zahlen sind daher unwichtig. (...) Wichtig ist vor allem, was danach geschieht. Wird sich der russische Präsident Wladimir Putin für eine weitere Mobilmachung entscheiden? Wird er noch vor der US-Präsidentschaftswahl im November neue entscheidende Schritte im Krieg gegen die Ukraine unternehmen oder wird er weiter geduldig darauf warten, dass die westliche Unterstützung für Kiew abnimmt und die Ukraine ausblutet? Die Hoffnungen, dass die Russen während der Stimmabgabe in größerer Zahl ihren Widerstand gegen das Putin-Regime zeigen könnten, haben sich zerschlagen. Statt Protesten waren vor den Wahllokalen lange Schlangen loyaler Bürger zu sehen. Dem Regime ist es gelungen, besonders in der jungen Generation einen neuen Menschen zu formen, eine Art 'homo putinicus'. Dieser ist dem Anführer seines Staates für alles dankbar und hat sich daran gewöhnt, dass Krieg Teil der täglichen Dosis an Regierungspropaganda ist."

"Corriere della Sera" (Italien): "Die Spezialoperation Wahlen ist vorbei. Wladimir Putin hat seine Verwandlung in einen Kriegszaren vollendet, an der Spitze eines Landes, dessen Zukunft er im ewigen Konflikt sieht. Das war der Zweck dieses gewollten Plebiszits, das dem Kreml sehr am Herzen lag: Ein zunehmend autoritäres und personalisiertes politisches System braucht regelmäßig eine Bestätigung, wie populär sein Führer ist. Unmittelbar nach jeder Wiederwahl wechselt Putin ein paar Figuren auf seinem Schachbrett aus. Im Anmarsch ist eine noch loyalere und noch skrupellosere Generation als die vorige. (...) Der innere Kreis, der sogenannte St. Petersburger Clan, wird hingegen unverändert bleiben. Alle, die sich in der Machtvertikale Putins befinden, wissen sehr wohl, dass ihr Vermögen davon abhängt, dass sie ihre derzeitige Rolle behalten. Die Treuen des Zaren. Nicht zuletzt, weil dessen politisches Ende nicht in Sicht ist."

:newstime

"El Mundo" (Spanien): "Die (...) Wahl sollte einen Krieg politisch absichern, in dem die Zeit zugunsten des Kremls spielt, im Vertrauen auf die Erosion der westlichen Verbündeten, die sich im jüngsten Zusammenstoß zwischen Macron und Scholz zeigt. Der französische Präsident ist zu einem Pfeiler einer uneingeschränkten Verteidigung der Ukraine geworden, die Russland davon abhält, europäischen Boden anzugreifen: Daher ist er entschlossen, keine roten Linien zu ziehen und sogar die Entsendung von Soldaten anzusprechen. Der deutsche Bundeskanzler lehnt eine direkte Intervention in einen Krieg ab, in dem er sogar an der Lieferung von Taurus-Raketen an die Regierung Selenskyj zweifelt.

Der Zusammenbruch der europäischen Einheit - die am Freitag auf dem Berliner Gipfel teilweise wiederhergestellt wurde - ist nur für Putin eine gute Nachricht, der noch einen weiteren internationalen Faktor zu seinen Gunsten hat: die Möglichkeit einer Rückkehr seines Verbündeten Donald Trump ins Weiße Haus. Da die interne Opposition völlig erstickt (...) und die militärische Initiative wiederhergestellt ist, befindet sich Putin in seinem stärksten Moment seit zwei Jahren. Dieses Szenario zwingt Europa, mit allen Mitteln die Verteidigung Kiews gegen ein Russland zu gewährleisten, das zu einer existenziellen Bedrohung geworden ist. (...) Putins Niederlage ist darüber hinaus der einzig mögliche Weg für einen Übergang, der den Aufbau einer Demokratie, die Aufhebung von Sanktionen und die Wiedereingliederung Russlands in die internationale Gemeinschaft ermöglicht."

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Großbritannien: "Bedrohung für Europa und die Welt"

"The Independent" (Großbritannien): "Mit diesem erwartungsgemäß eindeutigen Ergebnis im Rücken werden Putin und der Kreml die Wahl als Zeichen der Unterstützung für den Krieg in der Ukraine werten. Und genau hier müssen auch die westlichen Länder Flagge zeigen, indem sie Kiew die Waffen, die Munition und die Mittel zur Verfügung stellen, die seine Streitkräfte zur Verteidigung gegen die russischen Truppen benötigen. Wir sind dazu moralisch verpflichtet, denn die Ukraine kämpft im Wesentlichen für das übrige Europa. Aber es ist auch ein guter Weg, um die Fassade ins Wanken zu bringen, die Putin aufrechtzuerhalten versucht. Der Kreml mag in Russland das Narrativ kontrollieren, aber in der Ukraine kann er das nicht, so sehr er es auch versucht. Moskau kann nicht verheimlichen, dass Kriegsschiffe versenkt wurden oder es an der Front viele, viele Opfer gab. Je mehr Unterstützung die westlichen Verbündeten der Ukraine leisten, desto mehr wird Putins falsches Weltbild durchlöchert."

"Financial Times" (Großbritannien): "Er hat die politische Konkurrenz im eigenen Land zerschlagen und den Krieg in großem Stil auf den europäischen Kontinent zurückgebracht - mit einer hohen sechsstelligen Zahl von Toten und Verwundeten. All dies ist eine Tragödie - vor allem für die Menschen in der Ukraine und in Russland. Aber eine fünfte Amtszeit Putins ist auch eine Bedrohung für Europa und die Welt. Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte Russlands, dass die Unterdrückung im eigenen Land Hand in Hand mit einer aggressiveren Außenpolitik geht. Die jüngste Wahl war eine noch größere Farce als ihre Vorgänger, da die meisten echten Konkurrenten entweder im Exil leben, inhaftiert oder tot sind."

Das kommentieren kremlnahe Medien aus Russland

"Iswestija" (Russland, kremlnah): "Die Präsidentenwahl in Russland verlief unter einer Rekordbeteiligung: Vorläufigen Angaben nach haben sich 2024 mehr als 74 Prozent der Bürger dafür entschieden, ihre Stimme abzugeben. Das spricht für die Konsolidierung der russischen Gesellschaft vor dem Hintergrund äußerer Bedrohungen. Gleich mehrere Mitglieder der Zentralen Wahlkommission erklärten der 'Iswestija', dass die hohe Aktivität bei der Wahl auch auf die Handlungen des Kiewer Regimes zurückzuführen sei, das seine Angriffe auf grenznahe Territorien während der Wahltage verstärkt hat. (...) Die Rekordergebnisse erklären Experten mit dem Phänomen des 'Zusammenhalts um die Flagge' - wenn die Bürger eines Landes, die Seite eines militärischen Konflikts ist, sich um die herrschende Führung konsolidieren."

  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
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