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DER UKRAINISCHE PRÄSIDENT IM PORTRÄT

Wolodymyr Selenskyj - Vom Comedian zum Kriegshelden

  • Aktualisiert: 22.12.2023
  • 13:45 Uhr
  • Michael Reimers

Wolodymyr Selenskyj ist Präsident der Ukraine. Früher war der Mann an der Spitze jedoch als Schauspieler und Moderator tätig. Alles über den ungewöhnlichen Werdegang Selenskyjs, seine Führung im Ukraine-Krieg und öffentliche Kritik.

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Steckbrief

  • Name: Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj
  • Beruf: Politiker, Schauspieler, Regisseur, Moderator
  • Geburtstag: 25. Januar 1978
  • Geburtsort: Krywyj Rih, Ukrainische SSR, Sowjetunion
  • Wohnort: Kiew, seit Kriegsbeginn jedoch nicht bekannt
  • Familienstand: verheiratet mit Olena Selenska

Wolodymyr Selenskyj (andere Schreibweisen: Selenski, Selensky) wurde am 25. Januar 1978 als Sohn jüdischer Eltern in Krywyj Rih in der damaligen Sowjetunion geboren. Sein Vater Alexander war Computertechniker und Kybernetiker, seine Mutter Rimma Ingenieurin. In seiner Kindheit lebte Selenskyj mit seiner Familie unter anderem für vier Jahre in der Mongolei. Nach seinem Abitur besuchte er die Nationale Wadym-Hetman-Wirtschaftuniversität in Kiew und schloss dort ein Diplomstudium der Rechtswissenschaft ab.

Als Jurist war er jedoch nie tätig, vielmehr zog es den jungen Mann in die Unterhaltungsbranche. Anstatt mit Jura Karriere zu machen, wandte er sich schauspielerischen Aktivitäten und Comedy-Auftritten zu, die er bereits als Schüler verfolgt hatte. Seine Leidenschaft für das Kabarett lebte Selenskyj ab 1997 mit seiner eigens gegründeten Kabarettgruppe namens Kwartal 95 („95. Wohnblock“) aus. Gut fünf Jahre hielten sich die jungen Satiriker in Moskau auf und tourten von dort aus durch die russischsprachige Ex-Sowjetunion.

In Bildern: Wolodymyr Selenskyjs Amtszeit

Wolodymyr Selenskyjs Amtszeit in Bildern

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21. April 2019: Der ehemalige Schauspieler Wolodymyr Selenskyj gewinnt die Präsidentschaftswahl in Kiew. 
© REUTERS

21. April 2019: Der ehemalige Schauspieler Wolodymyr Selenskyj gewinnt die Präsidentschaftswahl in Kiew. 

6. August 2020: Der ukrainische Präsident Selenskyj besucht die Separatisten an der Frontlinie in Luhansk und Popasna.
© REUTERS

6. August 2020: Der ukrainische Präsident Selenskyj besucht die Separatisten an der Frontlinie in Luhansk und Popasna.

24. Februar 2022: Nach der Invasion durch Russland spricht Selenskyj in Kiew per Videobotschaft an die Bevölkerung.
© via REUTERS

24. Februar 2022: Nach der Invasion durch Russland spricht Selenskyj in Kiew per Videobotschaft an die Bevölkerung.

25. Februar 2022: Selenskyj und andere Politiker bleiben trotz russischer Angriffe in Kiew.
© via REUTERS

25. Februar 2022: Selenskyj und andere Politiker bleiben trotz russischer Angriffe in Kiew.

4. April 2022: Nach ihrer Befreiung durch ukrainische Soldaten besucht der ukrainische Präsident Selenskyj die Stadt Butscha, welche weiterhin unter Beschuss steht.
© REUTERS

4. April 2022: Nach ihrer Befreiung durch ukrainische Soldaten besucht der ukrainische Präsident Selenskyj die Stadt Butscha, welche weiterhin unter Beschuss steht.

20. Februar 2023: US-Präsident Joe Biden überrascht mit seinem Besuch in Kiew.
© via REUTERS

20. Februar 2023: US-Präsident Joe Biden überrascht mit seinem Besuch in Kiew.

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Selenskyj: Ein Mann mit vielen Talenten

Doch es blieb nicht nur bei Kabarettauftritten für Wolodymyr Selenskyj. Im Jahr 2006 war er durch seine Teilnahme an der ukrainischen Version von "Dancing with the Stars" im Fernsehen zu sehen. Dadurch erlangte der studierte Jurist nicht nur landesweite Beliebtheit, sondern startete auch seine eigene Fernsehkarriere. Mit seiner Kabarettgruppe gründete er außerdem eine Fernsehproduktionsgesellschaft, die ihre Filme, Kabarettauftritte und Fernsehserien heute Selenskyj zufolge in 21 Ländern verkauft. Als Schauspieler wurde Selenskyj einem noch breiteren Publikum bekannt. So spielte er 2008 die Hauptrolle in dem Spielfilm "Love in the Big City" und später dessen Fortsetzung "Love in the Big City 2". "Love in the Big City 3" kam im Januar 2014 in die Kinos. Weitere Kinofilme und Fernsehserien folgten.

Vom Schauspieler zum Präsident der Ukraine

Den Grundstein für seinen politischen Durchbruch legte Selenskyj ebenfalls als Komiker. 2015 war er in der satirischen TV-Serie "Diener des Volkes" zu sehen. Ähnlich wie in seiner eigenen Lebensgeschichte wird auch seine Figur Wassilyj Petrowytsch Holoborodko zum Präsidenten der Ukraine gewählt.

Nach der Serie mehrten sich die Gerüchte, dass Selenskyj selbst auch mit dem Präsidentenamt liebäugeln würde. 2018 meldeten dann die Mitglieder der ehemaligen Kabarettgruppe und der heutigen Produktionsfirma "Kwartal 95" eine neue politische Partei an. Die Partei trägt mit "Diener des Volkes" denselben Namen wie die Fernsehsendung, in der Selenskyj in den vorangegangenen Jahren die Hauptrolle gespielt hatte. Am Silvesterabend 2018 war es dann so weit: Nach monatelangen zweideutigen Äußerungen gab der Schauspieler seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten der Ukraine in einer Fernsehshow auf dem Sender 1 + 1 bekannt.

Den ersten Wahlgang am 31. März 2019 gewann er deutlich. Und auch in der Stichwahl am 21. April 2019 ging Wolodymyr Selenskyj als Sieger hervor. Er lag mit 73 Prozent der Stimmen weit vor dem amtierenden Präsidenten Petro Poroschenko, der 25 Prozent der Stimmen erhielt. Selenskyj wurde am 20. Mai 2019 als sechster Präsident der Ukraine in Kiew ins Amt eingeführt.

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Gegen Korruption und Elitenherrschaft - für die Beendigung des Krieges

Schon vor seiner Wahl zum Präsidenten erklärte Wolodymyr Selenskyj die Bekämpfung der Korruption und Elitenherrschaft zu seinen politischen Zielen. Ab seinem ersten Amtsjahr setzte er sich außerdem dafür ein, den Handel zwischen der Ukraine und anderen Staaten zu liberalisieren. Dabei stellte Selenskyj noch stärker als sein Vorgänger Petro Poroschenko diplomatische Kontakte in den Dienst der Wirtschaft. Er betrachtete gemeinsame ökonomische Interessen von Staaten als wichtige Basis, um politische Beziehungen zu stärken. Obendrein machte er die Beendigung des Ukraine-Konflikts zur vorrangigen Aufgabe.

Während des russisch-ukrainischen Konflikts ab 2014 annektierte Russland die ukrainische Halbinsel Krim im Frühjahr 2014 nach einer bewaffneten Intervention der Streitkräfte der Russischen Föderation. Die Eingliederung der Halbinsel durch Russland erfolgte am 18. März 2014. Später kam es zudem zu einer Eskalation in den durch Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk.

Nach seiner Amtseinführung verfügte Selenskyj über Neuwahlen des Parlaments. Doch nicht nur das, er legte der gesamten Regierung den Rücktritt nahe. Zahlreiche ranghohe Politiker, darunter Außenminister Pawlo Klimkin und Verteidigungsminister Stepan Poltorak, folgten der Aufforderung. Auch der Ministerpräsident der Ukraine, Wolodymyr Hrojsman, kündigte seinen Rückzug an.

In den ersten Jahren seiner Präsidentschaft schränkte Selenskyj zudem den Spielraum von ukrainischen Oligarchen durch ein Lobbygesetz ein. So ist es Oligarchen in der Ukraine seitdem verboten, Parteien zu finanzieren. Damit wurde Selenskyj der erste Präsident in der Geschichte der Ukraine, der eine konfrontative Politik gegenüber Oligarchen führte.

Im Dezember 2019 befürwortete Selenskyjs Ministerkabinett einen überarbeiteten Gesetzentwurf zum Arbeitsrecht. Das Kabinett erhoffte sich davon etwa neue Arbeitsplätze in den Folgejahren, höhere Löhne und mehr soziale Rechte für die abhängig Beschäftigten sowie Gleichberechtigung und eine Angleichung des Rechts an EU-Standards. Da der Entwurf jedoch sowohl bei ukrainischen Gewerkschaften als auch bei internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen auf Kritik stoß, nahm die Regierung einige ihrer Entwürfe im März 2020 vorerst zurück.

Der Kampf gegen Korruption geht auch im Krieg weiter: Anfang 2023 gaben verschiedene hochrangige Mitglieder der Staatsspitze ihren Rücktritt bekannt. Unter anderem ging der stellvertretende Generalstaatsanwalt Olexij Symonenko ohne Angabe von Gründen. Auch der Vizechef des Präsidentenbüros Kyrylo Tymoschenko beantragte die Entlassung, nachdem er zuvor privat mit einem Geländewagen gesehen wurde, der von den USA als Rettungsfahrzeug für Kriegsgebiete zur Verfügung gestellt wurde. Weitere fünf Gouverneure und zwei stellvertretende Minister der Regierung traten ebenfalls zurück. 

Ende des Krieges als vorrangige Aufgabe

Selenskyj versuchte außerdem, die ukrainische Volkswirtschaft von Energie aus Russland unabhängiger zu machen. Im Dezember 2019 unterzeichneten die Energieunternehmen Gazprom (Russland) und Naftogaz (Ukraine) einen bis 2024 geltenden Transitvertrag, in dem sich Gazprom auf geringere Gas-Liefermengen als in den vorherigen Jahren verpflichtete. Ab 2016 importierte die Ukraine für ihren Eigenbedarf größtenteils kein russisches Gas mehr auf direktem Wege, sondern bezog Gas aus der Slowakei.

Bereits in seiner Antrittsrede nannte Selenskyj die Beendigung des Krieges im Donbass als vorrangige Aufgabe. Ihm zufolge könne es einen Dialog mit Russland nur dann geben, wenn die Krim zurückgegeben und Kriegsgefangene freigelassen würden. Im Jahr 2019 nahm Selenskyj dazu an Friedensgesprächen teil, an denen auch der französische Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin aufeinandertrafen. Dabei vereinbarten die Staatsoberhäupter unter anderem einen Waffenstillstand in der Ostukraine. Im September 2019 kam es außerdem zu einem Gefangenenaustausch mit Russland.

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Im Frühjahr 2021 begann Russland damit, Streitkräfte an die ukrainische Grenze zu verlegen. Im darauffolgenden Herbst begannen diese Truppen mit umfangreichen Militärmanövern. Unter Bruch des Minsker Abkommens erkannte Russland am 21. Februar 2022 die separatistischen, sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten an. Dies veranlasste Selenskyj zur Teil-Einberufung der Reservisten im Alter von 18 bis 60 Jahren. Am 24. Februar befahl Putin den Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine, der Angriff auf das Nachbarland startete. In der Ukraine herrscht seitdem Krieg.

Am 25. Februar berichtete Wolodymyr Selenskyj in einer Fernsehansprache über die Verluste des ersten Kriegstages und erklärte, dass er die politischen Führer der NATO-Staaten zu einem Beitritt der Ukraine befragt habe und dass Russland durch Eliminierung des Staatsführers die politische Führung der Ukraine beschädigen wolle. Für Russland sei er "Ziel Nummer eins" und seine Familie "Ziel Nummer zwei". Selenskyj erklärte, er und seine Familie würden die Ukraine jedoch nicht verlassen.

Selenskyjs Hauptthema bleibt der Krieg

Auch Ende 2023 geht der Ukraine-Krieg weiter. Selenskyj rief 2023 zum "Jahr der Rückkehr" aus, doch die ukrainische Offensive konnte nicht überzeugen. Große militärische Erfolge blieben aus, obwohl die eigene Rüstungsproduktion ständig hochgefahren wird. Selenskyj bittet weiterhin den Westen um Hilfe, denn er und sein Land wissen, nur mit großer Unterstützung können sie den zermürbenden Krieg gegen Russland überstehen. Dazu kommen Meinungsverschiedenheiten zwischen der politischen Führung und den ukrainischen Streitkräften. Oberkommandant Walerij Saluschnyj gestand Fehler ein, was Selenskyj mit einer öffentlichen Zurechtweisung kommentierte. Der ukrainische Präsident muss sein Land wieder in eine Position politischer Stärke rücken, damit der Krieg ein Ende finden kann.     

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Kritik an Wolodymyr Selenskyj

Auch wenn er dafür von vielen sogar als Held gefeiert wird, musste der studierte Jurist selbst schon viel Kritik einstecken. Bereits vor seiner Amtseinführung als Präsident der Ukraine bemängelten viele seine fehlende politische Erfahrung.

Zudem setzt er sich offen für mehr Demokratie und die Bekämpfung von Korruption in der Ukraine ein. So kritisierte er seinen Vorgänger Petro Poroschenko dafür, Briefkastenfirmen in Steueroasen zu unterhalten. Allerdings wurde im Oktober 2021 durch Veröffentlichungen zu den Pandora Papers bekannt, dass Selenskyj vor seiner Amtszeit selbst solche Firmen gehabt hatte.

Auch Selenskyjs Rede vor dem israelischen Parlament am 20. März 2022 erntete einiges an Missbilligung. In seiner Ansprache, in der er von den verheerenden Zerstörungen des Krieges in der Ukraine berichtete, zog Selenskyj unter anderem Hinweise auf den Holocaust heran. Der israelische Kommunikationsminister Yoaz Hendel betonte, dass er zwar den ukrainischen Präsidenten bewundere und das ukrainische Volk im Herzen und in der Tat unterstütze, dass aber die schreckliche Geschichte des Holocausts nicht umgeschrieben werden könne. "Dieser Krieg ist schrecklich, aber der Vergleich mit den Schrecken des Holocaust und der Endlösung ist empörend”, so Hendel auf Twitter. Der frühere Minister Yuval Steinitz ordnete diesen Vergleich als „an der Grenze zur Holocaustleugnung" liegend ein.

Kritik erhielt Selenskyj außerdem für eine von ihm eingeführte Bodenreform. Vermögende könnten die gesetzliche Bestimmung, wonach zunächst nur ukrainische Privatpersonen bis zu 100 Hektar Land erwerben dürfen, umgehen. Sie würden sich darüber hinaus Land indirekt aneignen, indem mehrere ihrer Vertreter als scheinbar selbständige Käufer auftreten und Land erwerben würden.

Selbst im eigenen Land schwindet langsam das Vertrauen in Selenskyj. Er ist zwar immer noch beliebt beim Volk, doch die öffentliche Kritik wächst. Nicht nur die militärischen Niederlagen werden ihm zur Last gelegt, sondern auch seine mangelnde Kritikfähigkeit. Zuletzt warf Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko dem Präsidenten mangelnde Vorbereitung auf den Krieg vor und dass er seine Augen vor der offensichtlichen Pattsituation verschließen würde. Die eigentlich im Frühjahr 2024 anstehenden Präsidentschaftswahlen lehnt Selenskyj ab und beruft sich auf das Kriegsrecht, das Wahlen erst nach Ende des Kriegs vorsieht. 

Fragen und Antworten zu Wolodymyr Selenskyj

  • Verwendete Quellen:
  • Blog des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung: "Der 'Diener des Volkes'. Wolodymyr Selenskyjs Präsidentschaft in der Ukraine"
  • Der Bund: "Der volksnahe Millionär und Komiker"
  • Tagesschau: Die Ukraine-Offensive und Rücktritte
  • 20 Minuten: Interview mit Vitali Klitschko
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