Sommer-Pressekonferenz
Ukraine, AfD, China: Das sind die wichtigsten Aussagen von Kanzler Scholz
- Veröffentlicht: 14.07.2023
- 14:38 Uhr
- Anne Funk
Ein letzter Rundumschlag, so lässt sich die letzte Pressekonferenz von Olaf Scholz vor der Sommerpause zusammenfassen. AfD-Höhenflug, Ampel-Streit, Ukraine-Krieg: Bei der Fragerunde mit Journalist:innen in Berlin kamen zahlreiche Themen aufs Tablett.
Kurz vor seinem Urlaub stellte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag (14. Juli) noch einmal den Fragen der Hauptstadtjournalist:innen. Auf den Tisch kamen dabei sämtliche Themen: vom Ukraine-Krieg über den Höhenflug der AfD bis zur Heizungsdebatte. Auch zu den Aktionen der Klimakleber und die Investitionskontrollen für China musste der Kanzler Rede und Antwort stehen. Seine wichtigsten Aussagen im Überblick:
Scholz: Fühle mich Konvention gegen Streumunition verpflichtet
Bundeskanzler Scholz verteidigte die US-Entscheidung zur Lieferung von Streumunition an die Ukraine erneut, betonte aber zugleich die Bedeutung des Vertrags zur Ächtung dieser Art von Munition. Deutschland habe die souveräne Entscheidung anderer Staaten nicht zu kommentieren, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf die USA. Die US-Regierung habe "eine Entscheidung getroffen, die nicht unsere ist, aber die sie souverän getroffen hat" - mit dem Hinweis, dass sie sonst nicht ausreichend Munition zur Verfügung stellen könne.
Zugleich unterstrich Scholz: "Aber ich will ergänzend noch mal sagen: Für mich ist diese Konvention von großer Bedeutung." Es gehe dabei gar nicht um die Waffe in ihrer Wirkung im Kriegseinsatz, "denn alle Waffen, die wir liefern, haben furchtbare Zerstörung zur Folge, wenn sie ihre Ziele treffen". Es gehe vielmehr darum, "dass nicht nach dem Krieg und außerhalb der Kriegsparteien von zufällig herumliegender Munition andere bedroht werden". Überall in Deutschland, wo Bomben niedergegangen seien, gibt es auch viele Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges immer wieder Bombenalarm. "Und deshalb ist es schon ein sehr berechtigtes Anliegen, das wir mit dieser Konvention verfolgen. Und dem fühle ich mich auch verpflichtet", sagte Scholz.
Als Mensch, als Bürger, als Deutscher, als Europäer wünsche ich mir, dass die Ukraine Erfolg hat.
Olaf Scholz, Bundeskanzler
Mit Blick auf Russland sagte Scholz, dass er trotz des andauernden russischen Angriffskrieges auf die Ukraine weiterhin mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Gespräch bleiben will. Auf die Journalistenfrage, ob er eigentlich künftig nicht mehr mit dem Kriegstreiber Putin sprechen wolle, antwortete er: "Ich werde selbstverständlich auch mal wieder mit ihm reden können. Aber da ist nichts terminiert."
Auf die Frage, inwiefern der Erfolg seiner Kanzlerschaft vom Erfolg der Ukraine abhänge, erwiderte Scholz: "Als Mensch, als Bürger, als Deutscher, als Europäer wünsche ich mir, dass die Ukraine Erfolg hat. Und das muss ich gar nicht erst mit meinem Amt verbinden. Das ist ein Anliegen, das wir alle haben sollten." Man könne nicht hinnehmen und sich auch nicht damit abfinden, "dass in so grausamer und brutaler Weise das Völkerrecht mit Füßen getreten wird", ergänzte der Kanzler.
Die Frage, ob er das Gefühl habe, dass man noch mehr tun müsse, um der Ukraine zu helfen, beantwortete Scholz mit den Worten: "Wir haben ja sehr viel gemacht. Und das, was wir tun, ist auch sehr relevant." Der Kanzler nannte unter anderem die Luftverteidigung, die Artillerie, die Ausbildung und die Schaffung von Reparaturstrukturen für die gelieferten Waffen. Auch der Ausbau von Kapazitäten zur Munitionsproduktion gehört dazu. "Und wir sind jetzt unverändert und auch immer weiter dabei, dafür zu sorgen, dass die Ukraine so lange durchhalten kann, wie das erforderlich ist", sagte er.
AfD-Höhenflug: Kanzler wirbt für Vertrauen in Zukunft
Angesichts der derzeit hohen Umfragewerte und Wahlerfolgen der AfD warb Scholz trotz vieler Veränderungen für Vertrauen in die Zukunft. "Für mich heißt das, dass man Politik machen muss, bei der die Bürgerinnen und Bürger für sich genügend Gründe haben, an eine gute Zukunft zu glauben", sagte der SPD-Politiker. Er betonte, dass in allen 16 Bundesländern die demokratischen Parteien, die sich trotz politischen Wettbewerbs mit Respekt behandelten, die große Mehrheit seien. Eine "Normalisierung" rechten Gedankenguts sehe er nicht, sagte Scholz auf eine entsprechende Frage hin.
Der Kanzler sagte zu den hohen Umfragewerten der AfD: "Es liegt daran, dass sich eben doch nicht so viele Bürgerinnen und Bürger so sicher sind, wie die Zukunft sein wird - gar nicht jetzt, sondern in zehn, 20 und 30 Jahren." Deswegen sei das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Modernisierungsprogramm mit Innovationen für die Volkswirtschaft wichtig, weil dies die Botschaft vermittele: "Es wird gut ausgehen für jeden einzelnen und für jede einzelne von uns."
Eine weitere Einsicht für ihn sei, dass man es bei unterschiedlichen Lebensmodellen, Bildungs- und Berufswegen neu bewerten müsse, "dass es nicht das eine gibt, was richtig ist und alles andere aussticht". In der Gesellschaft gebraucht werde auch "Gelassenheit im Hinblick auf das Miteinander", bei dem sich jeder seine eigene Fasson wählen dürfe. Scholz bekräftigte, er sei "ganz zuversichtlich, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl nicht viel anders abschneiden wird als bei der letzten."
Scholz: Klimapolitik muss mehrheitsfähig sein
Olaf Scholz betonte, dass er eine breite Unterstützung in der Bevölkerung bei politischen Entscheidungen in der Klimapolitik für notwendig halte. "Meine Überzeugung ist, wer zum Beispiel Klimapolitik machen will, muss sich zutrauen, dass jede einzelne gesetzliche Regelung in einer Volksabstimmung eine Mehrheit fände. Das muss der Ehrgeiz sein."
Scholz antwortete auf eine Frage, ob wegen geplanter grundlegender Änderungen des Heizungsgesetzes - auf die sich die Koalition nach langem Streit verständigt hatte - Klimaziele im Gebäudesektor 2030 noch erreicht werden könnten. Die Änderungen des noch nicht vom Bundestag beschlossenen Gesetzes sehen im Kern vor, dass Hausbesitzer mehr Zeit bei der Wärmewende bekommen sollen.
Scholz machte deutlich, Hausbesitzer, die Angst hätten, ob sie sich die nächste Investition leisten könnten, müssten mitgenommen zu werden. Zugleich habe die Bundesregierung sehr ehrgeizige Ziele. Deutschland wolle 2045 klimaneutral wirtschaften. Dazu müssten neueste Technologien in den verschiedensten Feldern in der Industrie, in der Wirtschaft, in der Energieerzeugung eingesetzt werden und auch bei der Mobilität und beim Heizen eine Rolle spielen. "Und da werden auch viele unterschiedliche Technologien zum Tragen kommen und manche vielleicht noch große Karriere machen, auf die wir jetzt gar nicht so kommen." Es sei aber ein großer Fortschritt, dass sich Deutschland auf den Weg mache und sich nicht, wie in den letzten Jahrzehnten oft, darauf beschränke, Ziele zu formulieren.
Die Preise für fossile Energien würden in den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich steigen, sagte Scholz. Es sei besser, sich bei seiner nächsten anstehenden Entscheidung daran zu orientieren, was billiger sein werde. "Und das ist natürlich eine der vielen Varianten mit erneuerbaren Energien."
Bundesregierung will keine Entkoppelung von China
Vor dem Hintergrund der neuen China-Strategie der Bundesregierung hat Scholz versucht, Befürchtungen der Wirtschaft vor überbordender staatlicher Kontrolle zu zerstreuen. "Es geht nicht darum, jetzt alle Investitionen, die im Ausland getätigt werden, jetzt nun einer staatlichen Kontrolle zu unterwerfen." Zugleich betonte er: "Dass wir genau hingucken wollen, wenn es um Fragen geht, die für militärische Sicherheit und für Sicherheit insgesamt von Bedeutung sind, das ist vielleicht so selbstverständlich. Aber wir haben das jetzt auch aufgeschrieben."
Deutschland sei eine globale Volkswirtschaft, die mit der ganzen Welt verbunden sei, betonte Scholz. "Das ist unser Geschäftsmodell, dass die Unternehmen, ohne dass sie der Regierung jeden Tag Bescheid sagen, überall wirtschaftlich tätig sind." Er ergänzte: "Das würde uns auch überfordern. Solche Ämter hätten wir gar nicht, mit denen wir diese Aufgaben bewältigen könnten."
Die Ampel-Regierung will wirtschaftliche Abhängigkeiten von China verringern, jedoch keinen grundlegenden Kurswechsel. "Die Bundesregierung strebt keine Entkoppelung von China an", heißt es in der Strategie. "Abhängigkeiten in kritischen Bereichen wollen wir jedoch verringern, um von ihnen ausgehende Risiken zu mindern." Die Bundesregierung erwarte, dass die Unternehmen sich im Rahmen der bestehenden Risikomanagement-Prozesse konkret mit chinabezogenen Entwicklungen und Risiken auseinandersetzen.
Die Unternehmen in Deutschland handelten "ja längst im Einklang mit dem, was wir jetzt auch hier geschrieben haben", sagte Scholz. "Mein Eindruck ist: Viele Unternehmen werden weiter kräftig in China investieren, werden nach China exportieren, werden auch Waren und Dienstleistungen aus China beziehen." Sie würden aber auch "gleichzeitig im Sinne dessen, was wir De-Risking nennen, die Möglichkeiten nutzen, die sich ihnen ergeben, auch anderswo Direktinvestitionen zu tätigen, auch in anderen asiatischen Ländern zum Beispiel". Der Kanzler sagte: "Insofern sehe ich eher einen großen Einklang zwischen den auch veränderten Investitionsstrategien der Unternehmen und dem, was wir als Regierung aufgeschrieben haben."
Offene Kritik am Ampel-Streit
Auch zu den öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten der Ampel nahm Olaf Scholz am Freitag Stellung - und kritisierte sie. "Es ist ja kein Geheimnis: Dass da so laut diskutiert worden ist, gefällt weder mir noch irgendwem sonst." Mit Blick auf die weiteren Vorhaben nach der Sommerpause machte er deutlich, dies "weniger laut, aber weiter mit Ergebnissen" zustande zu bringen. "Die sollen dann auch schneller kommen. Und ich glaube, das wird uns auch gelingen." Vor allem zum Heizungsgesetz gab es heftigen Streit zwischen SPD, Grünen und FDP.
Dass da so laut diskutiert worden ist, gefällt weder mir noch irgendwem sonst.
Olaf Scholz über den Ampel-Streit
Scholz sagte, bestimmte Dinge, die mit dem Innovationstempo, das sich die Koalition für Deutschland vorgenommen habe und die auf den Weg gebracht worden seien, seien zum ersten Mal diskutiert worden. Nicht nur die Regierung, auch die Gesellschaft brauche ein Verständnis dafür, dass Kompromisse gute und vernünftige Politik seien. Dafür werbe er sehr. Im Ergebnis sei nun beim Heizungsgesetz eine sehr gute Lösung gefunden worden. Man müsse sich klarmachen, dass der Konsens, dass der Kompromiss, dass das "Fünfe gerade sein lassen" ein guter Weg sei, der Deutschland aufbauen werde.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa