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Karlsruhe fordert Nachbesserungen

Verbot von Kinderehen ist verfassungswidrig

  • Aktualisiert: 29.03.2023
  • 14:02 Uhr
  • Joachim Vonderthann

Im Ausland geschlossene Kinderehen sind seit 2017 in Deutschland unwirksam. Doch das Bundesverfassungsgericht hat Probleme mit dem pauschalen Verbot.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Das pauschale Verbot von im Ausland geschlossenen Kinderehen ist nicht verfassungskonform.

  • Das Bundesverfassungsgericht fordert Nachbesserungen am bestehenden Gesetz.

  • Die Rechte der Betroffenen müssen gestärkt werden, fordert Karlsruhe.

Das pauschale Verbot von Kinderehen ist nicht verfassungskonform und muss nachgebessert werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Im Ausland geschlossene Ehen mit Unter-16-Jährigen dürften zwar ohne Prüfung des Einzelfalls für nichtig erklärt werden, teilten die Karlsruher Richterinnen und Richter am Mittwoch (29. März) mit.

Kinderehen-Verbot verfassungswidrig

Aktuell fehle aber eine Möglichkeit, die Ehe auch nach deutschem Recht wirksam weiterführen zu können, sobald beide volljährig sind. Außerdem müssen künftig Unterhaltsansprüche wie nach einer Scheidung vorgesehen werden. Für die Überarbeitung gab Karlsruhe dem Gesetzgeber bis höchstens Mitte 2024 Zeit. Die Unterhaltsregelungen gelten ab sofort.

Die beanstandete Vorschrift sieht vor, dass eine ausländische Ehe automatisch unwirksam ist, wenn einer der Partner noch keine 16 Jahre alt war. Sie war Teil des "Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen", das die von Angela Merkel geführte schwarz-rote Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD 2017 vor dem Hintergrund gestiegener Flüchtlingszahlen auf den Weg gebracht hatte. Zu der Zeit waren vermehrt sehr junge Verheiratete nach Deutschland gekommen. Der damalige Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte daher Handlungsbedarf gesehen: "Kinder heiraten nicht, Kinder werden verheiratet", hatte er seinerzeit gesagt. 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hätte die neue Vorschrift 2018 im Fall eines syrischen Paares anwenden müssen, hielt sie aber für verfassungsrechtlich problematisch. In einer solchen Situation sind Gerichte verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

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Karlsruhe will Nachbesserungen an Gesetz

Nun liegt der 80-seitige Beschluss vor. Anders als die BGH-Kolleg:innen haben die Verfassungsrichter keine grundsätzlichen Bedenken wegen der pauschalen Nichtigerklärung der Ehen. Der Schutz von Minderjährigen und die Ächtung von Kinderehen seien legitime Ziele. Und nur die automatische Unwirksamkeit schütze Betroffene unmittelbar vor den Rechtswirkungen, die eine Ehe normalerweise entfalten würde.

Die Richter halten es aber für einen unangemessenen Eingriff in die Eheschließungsfreiheit, dass Betroffene derzeit noch einmal neu heiraten müssen, wenn sie die Ehe als Erwachsene weiterführen wollen. Sie geben außerdem zu bedenken, dass der minderjährige Partner oft vom älteren wirtschaftlich abhängig ist. Der Verzicht auf jegliche Unterhaltsansprüche stelle daher eine besondere Belastung dar.

In dem BGH-Fall ging es um ein Mädchen, das 2015 in Syrien mit 14 Jahren vor einem Scharia-Gericht einen sieben Jahre älteren Mann geheiratet hatte. Wenig später flüchteten beide nach Deutschland. Hier wurde die Jugendliche von ihrem Mann getrennt und in einer Einrichtung für weibliche minderjährige Flüchtlinge untergebracht. Zum Vormund wurde das Jugendamt bestellt. Dieses wollte vor Gericht durchsetzen, dass die Jugendliche ihren - einstigen - Ehemann nur noch einmal die Woche für drei Stunden unter Aufsicht treffen darf.

  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
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