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Leihidentitäten

Psychotherapeutin erklärt: Warum eine Polin behauptet, Maddie McCann zu sein

  • Aktualisiert: 27.03.2023
  • 10:27 Uhr
  • Lena Glöckner

In Polen beteuert eine junge Frau, Maddie McCann zu sein. Was bewegt Menschen zu Behauptungen wie dieser? Eine Kinder- und Jugendpsychotherapeutin ordnet ein. 

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Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Polin erklärt, sie sei die vermisste Maddie McCann und erreicht damit breite mediale Aufmerksamkeit.

  • Einer deutschen Zeitung sagt sie, sie habe psychische Probleme und gibt Zerwürfnisse mit ihrer Familie an.

  • Renate Schepker, Psychotherapeutin, erklärt, wann Menschen Leihidentitäten annehmen.

Eine junge Frau aus Polen gibt vor, die seit 2007 vermisste Madeleine McCann zu sein. Julia W., so heißt die 21-Jährige, beteuert immer wieder, sie sei das britische Mädchen, will sogar einen DNA-Test machen. Maddie McCann war als Dreijährige am Abend des 3. Mai 2007 aus ihrem Ferienappartement in Portugal verschwunden - bis heute fehlt von ihr jede Spur. 

Durch die vermeintliche Enthüllung ihrer Identität erfährt Julia W. ein gigantisches Medien-Echo. Der portugiesische Fernsehsender CMTV fliegt zu ihr nach Polen, die britische Yellow Press überschlägt sich mit Berichten und der inzwischen geschlossene Instagram-Account erfreut sich innerhalb kürzester Zeit einer Reichweite von über einer Million Follower.

Julia W. spricht von psychischen Problemen

Für die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Renate Schepker steht fest, was das Mädchen durch ihre Behauptung bezweckt. "Erstmal die Hoffnung auf eine breite mediale Öffentlichkeit, sicherlich auch Berühmtheit", sagt die Professorin und Chefärztin im Gespräch mit ProSieben Newstime. Das Internet biete alles und zensiere erstmal nichts. "Damit ist es ein unglaublicher Möglichkeitsraum, gerade für junge Menschen, wo man sich im Zweifel auch selbst neu erfinden kann."

Der "Zeit" erzählt Julia W. von psychischen Problemen. Das Blatt hatte die junge Frau an ihrem Wohnort besucht. Das Mädchen sei eigenen Angaben zufolge erst aus einer psychiatrischen Klinik entlassen worden - es war der dritte stationäre Besuch für sie. In der Klinik sei ihr klar geworden, dass die Familie, bei der sie aufwuchs, nicht ihre sein könne. Denn eine wahre Familie hätte bemerken und unterbinden müssen, was sie jahrelang durchlebte, so die 21-Jährige. Sie gibt an, durch einen Verwandten immer wieder sexuell missbraucht worden zu sein. Eingeschritten sei niemand.

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Kann so lange heilen, bis es in sich zusammenfällt

Das passt zu dem, was Renate Schepker anführt. Die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin erklärt, sie kenne es auch von Adoptiv- und Pflegekindern, dass diese Leihidentitäten annehmen. Und das einerseits, wenn sie "sich selbst nicht genug sind", andererseits aber auch oft als "rettende Fantasie, wenn man mit den eigenen Eltern nicht ganz so glücklich ist oder sich benachteiligt fühlt". Oft seien das "geheimnisvolle, geschichtsträchtige, sagenumwobene" neue Identitäten. 

Laut Schepker kann das "so lange eine heilende Wirkung haben, bis das Ganze in sich zusammenfällt". Und das passiere auch in den meisten Fällen.

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