Studienergebnis
Warum die AfD immer öfter in der gesellschaftlichen Mitte punktet
- Veröffentlicht: 29.06.2023
- 15:39 Uhr
- Anne Funk
Laut einer Studie kommen populistische Ansichten immer mehr in der Mitte der Gesellschaft an. Der Trend könnte zum Kipppunkt bei den Wahlen werden.
Hohe Umfragewerte und die erste gewonnene Landratswahl: Die AfD befindet sich derzeit auf einem Höhenflug. Populistische Ansichten scheinen mehr und mehr gesellschaftsfähig - und die Regierungs- und Oppositionsparteien schieben sich gegenseitig die Schuld dafür in die Schuhe.
Populismus in Deutschland scheint wieder mehrheitsfähig - zu diesem Ergebnis kommt das Markt- und Sozialforschungsinstitut Sinus nach Befragungen und Analysen. Nach Auswertung von Daten aus einer Onlineumfrage ist sich das Institut sicher, dass populistische Ansichten in der "Mitte der Bevölkerung angekommen" seien. Das berichtet das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND).
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Studie: Ostdeutsche Bundesländer haben rechtsextreme Tendenzen
Das Forschungsinstitut gehe schon seit Jahren der Frage auf den Grund, wie hoch der Anteil bürgerlicher Wähler:innen bei den Stimmen der AfD ist. Während es nach Angaben von Sinus im Jahr 2021 noch 43 Prozent waren, stieg der Anteil 2022 auf 50 Prozent. Aktuell seien es sogar 56 Prozent.
Die Milieus der Mitte definieren in hohem Maß, was in einer Gesellschaft als normal gilt.
Silke Borgstedt, Sinus-Geschäftsführerin
Silke Borgstedt, Geschäftsführerin von Sinus, sieht darin ein Anzeichen, dass die Stimmung in der Gesellschaft kippen könnte, wie sie gegenüber dem RND erklärt. "Die Milieus der Mitte definieren in hohem Maß, was in einer Gesellschaft als normal gilt." Ein großer Anteil von Wechselwähler:innen mit parteipolitischen Schwankungen finde sich besonders in dieser modernen Mitte.
Diese sei dem Institut zufolge zweigeteilt - in einen nostalgischen und einen fortschrittsorientierten Anteil. Letzterer werde zunehmend von der AfD erreicht. Gibt es bei dieser Gruppe einen Umschwung, könne das die gesellschaftlichen Kipppunkte begünstigen. Denn: Diese Wähler:innen wollen gerne auf der Gewinnerseite sein.
Mehr Verunsicherung in der Mitte
Direkt nach der Bundestagswahl sei die Lage noch anders gewesen. "Sie interessierten sich für E-Mobilität, Digitalisierung und eine neue Familienpolitik. Je mehr der Zukunftsoptimismus schwindet, desto mehr wächst der Anteil der AfD-Wähler in diesem Milieu", so Borgstedt.
Die gesellschaftliche Mitte bräuchte für ihr Leben Verlässlichkeit und Planungssicherheit. "Auch veränderungsbereite und zukunftsorientierte Menschen sehen sich aktuell erheblichen transformativen Zumutungen gegenüber, die die Verwirklichung einer angestrebten Normalbiografie mit Haus, Kindern und Auto gefährden."
Verunsicherung sei für die moderne Mitte eine neue Erfahrung, bisherige Selbstverständlichkeiten gelten plötzlich nicht mehr. "Plötzlich soll es nicht mehr in Ordnung sein, eine Gasheizung einzubauen, eine Kreuzfahrt zu unternehmen oder Fleisch zu essen." In der Folge wird Veränderung nun als Zumutung empfunden.
Noch wanke der Glaube an die Demokratie aber nicht, so die Sinus-Geschäftsführerin. 61 Prozent der befragten Personen seien immer noch der Meinung, man lebe in einem gerechten Land, wo jeder, der sich anstrenge, es auch zu etwas bringen könnte. Auch seien die Wähler:innen für die anderen Parteien noch nicht verloren, wie Borgstedt betont. Laut Sinus schneidet die AfD bei der Frage nach langfristiger Parteibindung deutlich schlechter ab als in aktuellen Umfragen.
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