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Nach der Machtübernahme

Wie geht es den Kunst- und Kulturschaffenden in Afghanistan?

  • Veröffentlicht: 13.09.2021
  • 18:28 Uhr
  • hp
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© Sherzaad Entertainment

Die Taliban haben wieder die Macht in Afghanistan übernommen, 20 Jahre nach ihrer ersten Schreckensherrschaft. Seither macht sich Angst in der Bevölkerung breit - auch unter den Kulturschaffenden. Sie fürchten nicht nur Unterdrückung durch die radikalen Islamisten, sie fürchten um ihr Leben.

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Nach der Machtübernahme durch die Taliban sind viele Künstlerinnen und Künstler bereits aus Afghanistan geflohen, andere versuchen noch, das Land zu verlassen. Einige vernichten aus Furcht vor den militanten Truppen ihre Arbeiten oder verwischen ihre digitalen Spuren freier Meinungsäußerung. Und manche fertigen als Zeichen des Protests noch ein letztes Werk an, bevor sie abtauchen.

Filmemacherin twittert um Hilfe

Sahraa Karimi, Regisseurin und erste weibliche Präsidentin der "Afghan Film Organisation", sah die Gefahr anrücken. "Wenn die Taliban an die Macht kommen, werden sie alle Kunst verbieten", twitterte sie am 13. August 2021 mit "gebrochenem Herzen" aus der Hauptstadt Kabul. Und sandte damit einen Hilferuf an die Welt. An dem Tag, an dem Kandahar gefallen war, die zweitgrößte Stadt des Landes.

Am 15. August meldete sich die Iranerin erneut zu Wort: "Die Taliban haben Kabul umzingelt, ich wollte Geld von der Bank holen, aber sie wurde geschlossen und evakuiert. Ich kann immer noch nicht glauben, was passiert. Bitte, betet für uns. Ich rufe noch mal: Leute dieser großen weiten Welt, bitte, schweigt nicht; sie kommen, um uns zu töten."

Zwei Tage später dann verschickte sie die erlösende Nachricht, dass sie und weitere elf Personen außer Landes gebracht werden konnten. Da hatten die Taliban Kabul bereits erobert.

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Fatwa gegen afghanische Popsängerin Aryana Sayeed

Aryana Sayeed blieben nur wenige Stunden, um aus Kabul zu verschwinden. Gegen die erfolgreichste Popsängerin Afghanistans und zugleich engagierte Frauenrechtlerin wurde eine Fatwa ausgesprochen, die einem Todesurteil gleicht. Wie sie in die lebensbedrohliche Lage geriet und wie sie mit ihrem Ehemann entkam, erzählte sie heute Abend im neuen ProSieben-Journal "Zervakis & Opdenhövel. Live."

Ihre Heimat musste Aryana Sayeed vorerst aufgeben, doch eines lässt sie sich nicht nehmen: Von ihrem Hauptwohnsitz in Istanbul aus wird sie weiterhin für die Rechte der Frauen in Afghanistan kämpfen.

Evakuierung von mehr als 100.000 Menschen

Bis Ende August haben die US-Luftwaffe und ihre Verbündeten nach Angaben des Weißen Hauses mehr als 100.000 Menschen aus Kabul ausgeflogen, darunter Ortskräfte und ihre Angehörigen sowie andere Schutzbedürftige.

Begleitet wurden die Evakuierungseinsätze von Verzweiflung, Chaos und einem Anschlag der Terror-Organisation ISIS-K, bei dem mindestens 170 Zivilisten und 13 US-Soldaten starben.

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Beststeller-Autor Khaled Hosseini: "Druck auf Taliban ausüben"

Die Sorge um diejenigen, die den neuen Regenten und ihrer Ideologie wehrlos ausgeliefert sind, ist entsprechend groß.

Khaled Hosseini, der in Kabul geborene Bestseller-Autor ("Drachenläufer"), forderte die USA und die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf die Taliban auszuüben, "damit sie die grundlegenden Menschenrechte der Afghanen, insbesondere der Frauen und Mädchen, respektieren und keine Gewalt gegen afghanische Bürger anwenden".

Die in Berlin lebende afghanische Designerin Shamayel Pawthkhameh Shalizi berichtete von befreundeten Musikern in ihrer Heimat, die ihre Studios abbauen und alles verstecken. Und auch davon, dass ihre Landsleute dies als einen "Rückfall" empfänden - "in eine Zeit, von der sie nie dachten, dass sie wiederkommen würde".

Die Schreckensherrschaft der "Gotteskrieger"

Von 1996 bis 2001 waren die "Gotteskrieger" schon einmal Machthaber in Kabul – bis zum Einmarsch der internationalen Truppen. Ihre Herrschaft fußte auf einer strengen Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia. Es war nahezu alles verboten: Musik, Tanz, Fernsehen, Internet, die meisten Sportarten und selbst das Drachensteigen.

Frauen durften nicht mehr arbeiten, Mädchen nicht mehr zur Schule gehen. Dieb:innen wurden Hände und Füße abgehackt, Ehebrecher:innen zu Tode gesteinigt. Versäumte Gebete zogen ebenso Strafen nach sich wie das Tragen von Nagellack oder zu kurzen Bärten. Über die Einhaltung der Vorschriften wachte eine Religionspolizei.

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Zerstörte Kulturschätze

Auch vor bedeutenden Kulturschätzen machten die Taliban nicht Halt. Kämpfer plünderten 1996 das Nationalmuseum Kabul. 2001 wurden die beiden Buddha-Statuen im Tal von Bamiyan gesprengt. Mit 53 und 38 Metern waren sie bis dahin die größten stehenden Buddha-Statuen der Welt. In den Augen der Taliban jedoch verstießen sie gegen das im Islam geltende Bilder- und Darstellungsverbot menschlicher Gestalten.

Sorge um Nationalmuseum und die Mitarbeitenden

Was nun mit den wertvollen Artefakten, den unwiederbringlichen Schätzen und den Ausgrabungsstätten des Landes passiert, weiß niemand. Die Sammlungen aus Herat und Kandahar sollten abtransportiert werden, doch aufgrund des schnellen Vorrückens der Taliban konnten die örtlichen Behörden den Plan nicht mehr umsetzen.

Die Archive und Ausstellungen des Nationalmuseums umfassen rund 80.000 Exponate, um die gebangt werden muss. "Wir machen uns große Sorgen um die Sicherheit unserer Mitarbeitenden und der Sammlung", sagt Museumsdirektor Mohammad Fahim Rahimi.

Die aktuelle Situation in Afghanistan ist eines der Themen bei "Zervakis & Opdenhövel. Live." heute Abend, ab 20:15 Uhr, auf ProSieben.

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