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Christian B. vor Gericht

Ehrenamtliche Richterin befangen? Prozess gegen Maddie-Verdächtigen abrupt beendet

  • Veröffentlicht: 16.02.2024
  • 13:57 Uhr
  • Anne Funk
Der Prozess gegen Christian B. wurde bereits kurz nach Beginn vertagt.
Der Prozess gegen Christian B. wurde bereits kurz nach Beginn vertagt.© Julian Stratenschulte/dpa

Er gilt als Hauptverdächtiger im Fall der verschwundenen Maddie McCann, aktuell steht Christian B. allerdings wegen mehrerer anderer Fälle in Braunschweig vor Gericht. Das Medieninteresse ist enorm.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Christian B. steht in Braunschweig wegen mehrfacher Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch vor Gericht.

  • Der 47-Jährige wird verdächtigt, mit dem Verschwinden von Maddie McCann zu tun zu haben.

  • Der erste Prozesstag wurde kurz nach Beginn wieder unterbrochen und vertagt.

Normalerweise zieht ein Vergewaltigungsprozess in Braunschweig nicht Kamerateams aus Großbritannien, Frankreich und Portugal an, doch mit Christian B. steht ein international berüchtigter Straftäter vor Gericht. Seit Jahren wird gegen den 47-Jährigen wegen Mordverdachts im Fall der 2007 aus einer portugiesischen Ferienanlage verschwundenen Maddie McCann ermittelt, wie im Juni 2020 überraschend öffentlich bekannt wurde. Die damals dreijährige Britin wurde aus einem Appartement an der Algarve entführt. Die deutschen Ermittler:innen gehen davon aus, dass sie tot ist - obwohl eine Leiche nie gefunden wurde.

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Um den Fall Maddie geht es aber nicht in dem am Freitag (16. Februar) gestarteten Prozess am Landgericht Braunschweig. Dieses ist zuständig, weil der bereits mehrfach verurteilte Christian B. in der niedersächsischen Stadt seinen letzten Wohnsitz hatte. Bereits Ende 2019 wurde der gebürtige Würzburger wegen Vergewaltigung einer älteren Frau in Braunschweig verurteilt. Tatort war 2005 Praia da Luz - genau der Ort, an dem die kleine Maddie zwei Jahre später verschwand. Jetzt steht der Mann wegen Vergewaltigung in drei Fällen und sexuellem Missbrauch von Kindern in zwei Fällen vor Gericht. Die Taten soll er zwischen Ende 2000 und Juni 2017 in Portugal begangen haben.

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Während der Vergewaltigungsprozess 2019 gegen B. nahezu unbeachtet von der Öffentlichkeit ablief, standen Journalist:innen am Freitag schon vor 7 Uhr vor dem Gerichtsgebäude Schlange. Sie mussten sich strengen Sicherheitskontrollen unterziehen, weshalb die Verhandlung verzögert begann.

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Befangenheitsantrag gegen Schöffin

Es ist also das erste Mal, dass der vielfach vorbestrafte Christian B. als Verdächtiger im Fall Maddie öffentlich zu sehen ist. Der 47-Jährige wurde in Handschellen in den Gerichtssaal geführt, bekleidet mit einem fliederfarbenen Hemd mit weißen Streifen und einem hellgrauen Sakko. Der dunkelblonde, schlanke Mann verdeckte sein Gesicht nicht und wirkte gefasst. Er nahm zwischen seinen vier Verteidigern Platz. "Die lange Einzelhaft nimmt ihn mit, wir haben heute einen gezeichneten Menschen gesehen", sagte Verteidiger Friedrich Fülscher später.

Nach der Vereidigung der Schöffen stellte dieser gleich zu Beginn der Verhandlung einen Befangenheitsantrag gegen eine Schöffin. Dabei las er einen Social-Media-Post vor, der von einem Account mit dem Namen der ehrenamtlichen Richterin gesendet worden war. In dem Post wird auf Englisch zur Tötung des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro aufgerufen. Eine solche Schöffin habe in einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu suchen, sagte der Rechtsanwalt von Christian B. Die Vorsitzende Richterin Uta Inse Engemann kündigte eine 40-minütige Unterbrechung der Verhandlung an.

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"Äußerungen außerhalb unserer Rechtsordnung"

Nach der Beratungspause schloss sich die Staatsanwaltschaft dem Befangenheitsantrag an. "Die Äußerungen stehen außerhalb unserer Rechtsordnung", sagte Oberstaatsanwältin Ute Lindemann zu dem Post der ehrenamtlichen Richterin. Ein Aufruf zum Mord und Totschlag sei etwas, "was wir hier nicht dulden". Es werde geprüft, ob ein Strafverfahren gegen die Schöffin eingeleitet werde. Die Nebenklage schloss sich dem Antrag an.

Der Prozess gegen Christian B. soll am Freitag (23. Februar) kommender Woche mit der Entscheidung zum Befangenheitsantrag fortgesetzt werden. Dann könnte auch die mehr als 100-seitige Anklageschrift verlesen werden. Der Angeklagte soll eine unbekannt gebliebene 70 bis 80 Jahre alte Frau in ihrer portugiesischen Ferienwohnung im Schlafzimmer überrascht, vergewaltigt und dabei gefilmt haben.

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Urteil wohl erst Ende Juni

Zudem soll er 2004 in Praia da Rocha eine damals 20-jährige Frau aus Irland brutal vergewaltigt haben. Der Fall der Irin war in den vergangenen Jahren neben dem Verschwinden von Maddie auch immer wieder Thema in irischen und britischen Medien. Die Zeitung "Daily Mail" zitierte die Frau mit den Worten: "Ich kann es nicht erwarten, meinem Peiniger in die Augen zu schauen und ihn vor Gericht zu sehen." Laut Staatsanwaltschaft wird die Irin im Verlauf des Prozesses als Zeugin gehört werden.

Der maskierte Angreifer soll in beiden Fällen die Frauen gefesselt und mit einer Peitsche geschlagen haben. Eine ebenfalls unbekannt gebliebene deutschsprachige Jugendliche soll Christian B. in einem Wohnzimmer laut Staatsanwaltschaft an einen Holzpfahl gefesselt, geschlagen und zum Oralverkehr gezwungen haben.

Für den Indizienprozess sind 29 Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil würde demnach Ende Juni gesprochen werden. Auf die Frage nach seiner weiteren Strategie verwies Verteidiger Fülscher auf die nächsten Sitzungen: "Langweiliger wird es nicht."

  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
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