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Recherche deckt auf

Menschen in der Wüste ausgesetzt: EU-Partnerländer sollen Tausende zurückgelassen haben

  • Veröffentlicht: 21.05.2024
  • 18:28 Uhr
  • Olivia Kowalak
Migranten wurden in Tunesien und anderen Partnerländern der EU in die Wüste verschleppt.
Migranten wurden in Tunesien und anderen Partnerländern der EU in die Wüste verschleppt.© Khaled Nasraoui/dpa

Eine Recherche aus einem Zusammenschluss internationaler Medien zeigt Menschenrechtsverletzungen in Tunesien, Marokko und Mauretanien im Umgang mit Migrant:innen und Geflüchteten.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Recherchen decken in EU-Partnerländern Verstöße gegen Menschenwürde und Menschenrechte auf.

  • Tunesien, Marokko und Mauretanien sollen Geflüchtete aus afrikanischen Ländern in Wüsten verschleppen und aussetzen.

  • Die EU liefert den Recherchen zufolge Ausrüstung an entsprechende Sicherheitskräfte.

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Die Menschenrechte von Geflüchteten und Migrant:innen werden offenbar in einigen EU-Partnerländern nicht respektiert. Denn wie internationale Medienrecherchen aufdecken, würden in Tunesien, Marokko und Mauretanien Schutzsuchende und Migrant:innen in die Wüste verschleppt und dort ausgesetzt. Laut einem "Spiegel"-Bericht sollen die EU-Staaten und die Kommission in Kenntnis darüber und sogar indirekt beteiligt sein. Demnach würden die verantwortlichen Sicherheitskräfte von der EU mit Pick-ups und Geländefahrzeugen ausgerüstet.  

Die rund einjährige Recherche wurde in Zusammenarbeit mit weiteren Medien wie dem Bayerischen Rundfunk und dem Investigativbüro Lighthouse Reports vorgenommen. "Die Summe dieser Schilderungen und weitere Recherchen ergeben ein eindeutiges Bild: Bei den Aktionen handelt es sich nicht um Einzelfälle, sondern ein System". Die beteiligten Journalist:innen sind für die Recherche in die entsprechenden Länder gereist und haben die Festnahmen und Verschleppungen gefilmt.

Mehr als 50 Betroffene hätten mit Reporter:innen darüber gesprochen, wie sie in entlegenen Gebieten ausgesetzt worden seien. "In Tunesien, Marokko und Mauretanien werden Tausende Menschen mit schwarzer Hautfarbe festgesetzt, in Wüstenregionen verschleppt und ausgesetzt", so die Autor:innen. Zusätzlich zu den Schilderungen der Ausgesetzten lagen vertrauliche Dokumente, hunderte Videos und Satellitenbilder vor.

Keine Einzelfälle: Zurückweisungen nach gleichem System

Viele Geflüchtete und Migrant:innen aus afrikanischen Staaten gelangen über Tunesien, Marokko und Mauretanien nach Europa. Daher arbeitet die EU in der Migrationspolitik eng mit diesen Ländern zusammen. In den drei Ländern im Norden und Nordwesten Afrikas liefen den Recherchen zufolge die Zurückweisungen nach einem ähnlichen Prinzip ab: Mutmaßliche Asylsuchende aus afrikanischen Ländern würden auf der Straße oder auf See abgefangen. Im Anschluss seien sie in Haftlager gesteckt und später an entlegenen Orten zurückgelassen worden, "bisweilen mitten in der Wüste", wie es hieß.  Es soll auch zu Raubüberfällen und Folterungen der Ausgesetzten gekommen sein.

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Dieses Vorgehen der Sicherheitskräfte sei innerhalb der EU teils bekannt. Ein Kommissionsbericht aus dem Jahr 2019 zu Marokko spricht etwa von einer Kampagne gegen subsaharische Flüchtlinge und Asylsuchende, so der Spiegel. Auch ist in einem Dokument der Grenzschutzagentur Frontex von Februar 2024 die Rede von "Racial Profiling": Polizeikontrollen auf Grundlage rassistischer Vorannahmen.

Bundesregierung und EU arbeiten eng mit Ländern zusammen

Im Jahr 2023 schloss die EU ein Abkommen mit Tunesien für eine verbesserte Steuerung von Migration. Im Zuge dessen wurden von der EU Finanzhilfen von 127 Millionen Euro angekündigt, um stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorzugehen. 67 Millionen Euro davon flossen in neue Schiffe und Wärmekameras, Such- und Rettungsaktionen, Maßnahmen gegen Schleuser und Rückführung von Geflüchteten.

"Man möchte den Eindruck von Handlungsfähigkeit erwecken und moralische, menschenrechtliche Fragen spielen dabei eine sehr untergeordnete Rolle", monierte Grünen-Europaabgeordneter Erik Marquardt das Abkommen. Anfang März folgte dann ein Deal mit Mauretanien zur Eindämmung illegaler Migration. Hier wurden seitens der Behörde in Brüssel 210 Millionen Euro gewährt.

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Für Tunesien hat das Team laut Berichten der "Tagesschau" 14 Verschleppungen dokumentiert. Neben der EU arbeitet auch die Bundesregierung eng mit tunesischen Sicherheitsbehörden zusammen. So bilden seit 2015 deutsche Bundespolizist:innen Mitglieder von Grenzpolizei und Nationalgarde aus. Weiterhin ist Deutschland ein Lieferant von Ausrüstung und Pick-up-Fahrzeugen. Wie das Bundesinnenministerium angab, seien 31 Millionen Euro für Ausbildung und Ausrüstung nach Tunesien geflossen.

Zu den Aufdeckungsarbeiten der Medien sagte das Ministerium, man habe "die Verbringung von Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten in das libysch-tunesische und algerisch-tunesische Grenzgebiet im Sommer 2023 mehrfach scharf und öffentlich kritisiert". 

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Auf Anfrage der "Tagesschau" wollte sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nicht äußern. Die EU erwarte von ihren Partnern, die Menschenrechte und die Menschenwürde aller Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchenden zu respektieren, wie eine Sprecherin mitteilte. Die Regierungen Tunesiens, Marokkos und Mauretaniens weisen die Vorwürfe auf Anfrage zurück.

  • Verwendete Quellen:
  • RedaktionsNetzwerk Deutschland: "Tausende Menschen zurückgelassen? EU-Partnerländer sollen Migranten in der Wüste ausgesetzt haben"
  • Tageschau.de: "Ausgesetzt in der Wüste"
  • Tagesschau.de: "Tunesien zahlt 60 Millionen Euro an EU zurück"
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