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Generationenkonflikt

Wirtschaftsweise fordert: Dürfen erst später in Rente gehen

  • Veröffentlicht: 09.11.2023
  • 15:04 Uhr
  • Michael Reimers
08.11.2023, Berlin: Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, stellt in der Bundespressekonferenz das Jahresgutachten 2023/24 vor.
08.11.2023, Berlin: Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, stellt in der Bundespressekonferenz das Jahresgutachten 2023/24 vor. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Mit ihrem Vorschlag, die Witwenrente abzuschaffen, sorgte die Vorsitzende der sogenannten Wirtschaftsweisen erst kürzlich für viel Aufregung. Nun legt Monika Schnitzler nach und fordert ein höheres Renteneinstiegsalter sowie den Anstieg der Renten zu bremsen.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung spricht sich in seinem neuen Jahresgutachten für eine Rentenreform aus.

  • Die Leiterin des Sachverständigenrats forderte im "Spiegel"-Interview, die Renten zunächst nicht mehr an die Lohnentwicklung zu koppeln, sondern an die Inflation.

  • Die "Wirtschaftsweise" hält zudem eine Reform der Schuldenbremse für nötig.

Monika Schnitzer sorgt mal wieder für einen Paukenschlag. Dieses Mal positioniert sie sich gegen die Rentner:innen und macht sich für die jüngeren Generationen stark. Im Interview mit dem "Spiegel" erklärte die Vorsitzende des Sachverständigenrats der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: "Wer sagt, man dürfe Rentnerinnen und Rentner nichts wegnehmen, der nimmt es letztlich den jungen Leuten weg."

Das am 8. November vorgelegte neue Jahresgutachten thematisiere diesen 'Verteilungskonflikt zwischen den Generationen', der den "Wirtschaftsweisen" zufolge bislang fast ausschließlich zulasten der jungen Leute ausgetragen wird. "Im Gutachten fordern wir, diesen Konflikt ehrlich zu benennen", so die Wirtschaftsexpertin.

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Gefragt danach, ob sie die heftigen emotionalen Reaktionen auf ihren Vorschlag, bei künftigen Renten keine Witwenrenten mehr zu zahlen, überrascht haben, antwortete Schnitzer: "Mir ist jedenfalls noch einmal bewusst geworden, warum die Politik vor jeder Reform des Rentensystems zurückschreckt: Damit gewinnt man keine Wahl." Doch die Bundesregierung müsse das Problem endlich angehen.

Die Zeit für eine Rentenreform drängt

"Das Thema Rentenreform wird immer weiter rausgeschoben. Aber die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer gehen jetzt in Rente, das heißt, das Problem wird sehr schnell akut. Bliebe alles, wie es ist, würde der Beitragssatz schnell steigen und der Bundeszuschuss, der schon jetzt ein Viertel des Haushalts ausmacht, läge in 20 Jahren bei der Hälfte des Haushalts. Das geht einfach nicht, und das sollte jedem einsichtig sein. Je früher wir Reformen angehen, umso eher können sich die Menschen darauf einstellen."

Schnitzer zufolge braucht es ein Bündel von Maßnahmen: "Zunächst einmal müssen wir das Renteneintrittsalter anpassen. Wenn die Lebenserwartung um ein Jahr steigt, sollten zwei Drittel davon auf eine längere Arbeitszeit entfallen. Damit würde sich das Renteneintrittsalter alle zehn Jahre um ein halbes Jahr erhöhen."

Je früher wir Reformen angehen, umso eher können sich die Menschen darauf einstellen.

Monika Schnitzer, Wirtschaftsweise

Für besonders Belastete muss es der Wirtschaftsweisen zufolge "natürlich Ausnahmen geben". "Aktuell wird die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte aber vor allem von Beschäftigten in Anspruch genommen, die mittlere Einkommen haben und überdurchschnittlich gesund sind. Wir schlagen vor, sie auf Personen zu beschränken, die dauerhaft ein geringes Einkommen erzielen – und typischerweise auch gesundheitlich stärker belastet sind."

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Renten nicht mehr an Löhne koppeln

Bis die Rentenreform greift, spricht sich Monika Schnitzer dafür aus, den Anstieg der Renten vorübergehend zu bremsen, um so den Anstieg der Beitragssätze zu reduzieren. "Dafür könnte die Formel für den sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor geändert werden, der abbildet, in welchem Verhältnis von Beitragszahler und Rentner die steigenden Rentenlasten tragen. Derzeit ist es so: Steigen die Rentenzahlungen, weil es mehr Rentner gibt, wird die Lücke zu den Einnahmen zu einem Viertel über langsamer steigende Renten hereingeholt, und zu drei Vierteln über höhere Beiträge. Das könnte man ändern auf 50 zu 50. Das würde die jungen Leute entlasten."

Die Wirtschaftsweise sieht noch eine andere Möglichkeit: "Die Renten steigen künftig nicht mehr mit den Löhnen, sondern mit der Inflation – so ist es heute schon in Österreich. Im Moment ist die Inflation zwar höher, aber auf Dauer wird sie unter der Lohnentwicklung liegen."

Populär dürfte das kaum sein, argumentiert der "Spiegel", worauf Schnitzer kontert: "Man nähme den Rentnern ja nichts weg, ihre Kaufkraft bliebe erhalten. Besonders bei jenen, die lange leben, würde die Kluft zwischen Rente und Lohnentwicklung zwar tatsächlich immer größer. Das sind typischerweise aber auch jene, die gut verdient und vorgesorgt haben. Dennoch würde durch diese Änderung die Armutsgefährdung für Geringverdienende im Rentenalter steigen. Deshalb schlagen wir noch eine Stellschraube vor: Die Rentenpunkte von Geringverdienenden sollten überproportional mit dem Einkommen steigen, die von Menschen mit höheren Einkommen unterproportional. Das wäre eine Umverteilung innerhalb einer Generation."

Schnitzer fordert auch eine Reform der Schuldenbremse

Für das Pochen auf die Schuldenbremse zeigt die Wirtschaftsweise im Interview kein Verständnis: "Als Sachverständigenrat schreiben wir dazu im Gutachten nichts, aber meine persönliche Einschätzung ist: Die Armutsgefährdung von Kindern zu senken, hilft allen – den Kindern, den Familien und dem sozialen Frieden. An der Stelle zu sparen, ist am falschen Ende gespart." Dass man nicht nach Belieben Geld ausgibt, dafür habe sie sich immer ausgesprochen, so Schnitzer. "Aber die angebliche Priorisierung, auf die dann gern verwiesen wird, hat bisher nicht stattgefunden. Es braucht eine Reform der Schuldenbremse, die Investitionen in die Zukunft ermöglicht. Wir müssen für die nächste Generation noch was übrig lassen."

  • Verwendete Quellen:
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