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Pandemie-Nachwehen

Behörden-Chaos: Jeder Fünfte soll Corona-Soforthilfen zurückzahlen

  • Veröffentlicht: 18.07.2024
  • 14:19 Uhr
  • Lisa Apfel

Wer muss wie viel Corona-Soforthilfen zurückzahlen? So ganz einig ist sich da niemand, weil sich auch bei der Auszahlung niemand so ganz einig war. Fest steht aber: Noch sind Milliarden offen.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Corona-Soforthilfen sollten während der Pandemie Selbstständigen und Unternehmen unter die Arme greifen.

  • Doch die Auszahlungen ziehen einen Rattenschwanz hinter sich her, denn bis heute sind Milliarden an Rückzahlungen offen.

  • Wer wie viel zurückzahlen muss, ist wieder eine Frage für sich. Denn damals brach bei Bund und Ländern offenbar das pure Chaos aus.

Die Corona-Pandemie ist vorbei, die Menschen in Deutschland gehen wieder einem normalen Alltag nach. Doch viele Unternehmen oder Selbstständige müssen sich nach wie vor mit der weltweiten Ausnahmesituation auseinandersetzen. Recherchen von WDR, NDR und der SZ ergaben nun, dass jeder fünfte von ihnen die damals ausgezahlten Corona-Soforthilfen ganz oder teilweise zurückzahlen soll. Das berichtet "tagesschau.de".

Wie viel wurde damals zu Recht ausgezahlt? Das Ministerium weiß es nicht

Im März 2020 war die Soforthilfe die erste Unterstützung der Bundesregierung für Solo-Selbstständige oder Kleinunternehmen. Denn wir erinnern uns: Einrichtungen wie Bars, Clubs oder auch Friseursalons mussten ihre Geschäfte schließen.

Insgesamt waren es laut "tagesschau.de" 13 Milliarden Euro, die an 1,8 Millionen Betroffene ausgezahlt wurden. Von den Ländern kamen demnach noch mal mehr als drei Milliarden Euro. Die Länder sollten auch die Umsetzung und Auszahlung übernehmen. Wie viel Unterstützung jeder Betroffene je erhielt, hing vom jeweiligen Bundesland ab. In Thüringen waren es beispielsweise 6.000 Euro, in NRW 10.500 Euro Soforthilfe.

Das Kuriose: Dem "tagesschau.de"-Bericht zufolge kann das Bundeswirtschaftsministerium bis heute nicht sagen, wie viele dieser Zahlungen damals tatsächlich zu Recht ausgezahlt wurden. Der Grund: Erst Ende 2025 werden die Schlussberichte dazu aus allen Ländern erwartet, teilte das Ministerium auf Anfrage von "tagesschau.de" mit.

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Recherche zeigt: Rückzahlungen in 400.000 Fällen

Nur so viel steht bereits fest: In mehr als 400.000 Fällen muss die finanzielle Unterstützung ganz oder teilweise zurückgezahlt werden, beziehungsweise wurde schon zurückerstattet. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von WDR, NDR und der "Süddeutschen Zeitung" unter den 16 Bundesländern. Auf Betroffene können aber noch weitere Rückforderungen zukommen.

Das Bundeswirtschaftsministerium geht nun dem Bericht zufolge davon aus, dass rund fünf Milliarden Euro zu viel ausgezahlt wurden. Mal, weil keine Berechtigung auf die Corona-Soforthilfen vorlag, oder aber auch, weil Berechtigten zu viel ausgezahlt wurde.

Doch warum das ganze Chaos? Müsste man nicht eigentlich besser und vor allem direkt wissen, wer wie viel zurückzuzahlen hat?

Chaos-Quelle: Auszahlungs-Anforderungen

Der Ursprung des Soforthilfen-Wirrwarrs liegt in der ersten Corona-Welle Deutschlands. Die kam vor mehr als vier Jahren. Der Bund brachte damals "tagesschau.de" zufolge noch im ersten Lockdown die Soforthilfe mit dem Ziel auf den Weg, alles schnell und möglichst unbürokratisch auszahlen zu können. Der damalige Tenor: Wer die Anforderungen erfüllt, muss nichts zurückzahlen. Das bedeutet im Klartext: Im Antrag musste laut "tagesschau.de" eine Existenzbedrohung beziehungsweise ein Liquiditätsengpass, bedingt durch Corona, versichert werden.

"Tagesschau.de" berichtet vom Beispiel einer Friseurin aus Nordrhein-Westfalen, die die Gelder unter der Annahme, sie müsse nichts zurückzahlen, beantragte. Doch dann hätten sich die Bedingungen laufend verändert. Ende 2021 bekam sie dann schlussendlich einen Bescheid, sie solle das Geld zurückzahlen. Doch dagegen klagte die Friseurin - mit Erfolg. Wie ihr erging es vielen anderen im Land auch. Mehr als 5.000 Soforthilfe-Empfänger haben bundesweit bereits gegen die Rückforderungen geklagt, etwa die Hälfte dieser Verfahren ist noch offen.

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Länder versanken in der Planlosigkeit

Doch nicht nur viele Betroffene sind unzufrieden mit der Abwicklung der Soforthilfen. Auch der Bundesrechnungshof übt Kritik. In einer Mitteilung an das Wirtschaftsministerium spricht der von "unklaren Anspruchsvoraussetzungen". Das Ministerium habe sich demnach am Anfang nicht festgelegt, "welcher Sach- und Finanzaufwand im Einzelnen berücksichtigt werden konnte".

Die Länder seien erst ein paar Tage nach Beginn der Zahlungen darauf hingewiesen worden, dass klar festgelegt sein müsse, wer überhaupt Anspruch darauf hat. So schließt sich der Kreis zum Beispiel der Friseurin aus NRW: Denn durch den hektischen Start der Corona-Soforthilfen konkretisierten viele Länder die Bedingungen dafür erst, nachdem bereits viele Anträge bereits gestellt worden waren.

Das Oberverwaltungsgericht NRW beispielsweise hält laut "tagesschau.de" in einem Urteil fest, dass in Nordrhein-Westfalen die Online-Informationen "Fragen-und-Antworten" zu den Corona-Soforthilfen zwischen 25. März und 31. Mai 2020 ganze 15 Mal geändert worden waren.

Auf eine entsprechende Anfrage von "tagesschau.de" bestätigte das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium zwar solche Änderungen. Wie viele es allerdings genau waren, das könne man heute nicht mehr nachvollziehen.

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Ein Flickenteppich namens Corona-Soforthilfen

Von Genehmigung bis Rückzahlung gibt es zwischen den einzelnen Bundesländern abermals enorme Unterschiede. Den Recherchen von WDR, NDR und SZ zufolge wurden beispielsweise in Rheinland-Pfalz 63 Prozent der Soforthilfe-Anträge genehmigt, in NRW und Sachsen aber 94 Prozent. Grund dafür sind auch unterschiedliche Auszahlungs-Verfahren in den Ländern.

Berlin hat bisher nur in fünf Prozent aller Fälle die Zahlungen ganz oder teilweise zurückverlangt, in NRW allerdings wurden mehr als 50 Prozent der Betroffenen zu Rückzahlungen aufgerufen - in der Regel handelt es sich um Teilbeträge.

Immerhin: Robert Habecks Wirtschaftsministerium teilte mit, der Bund strebe für alle Länder einen "vergleichbaren Maßstab" für die Rückforderungen an. Hierzu sei der Bund mit dem Land Berlin im Austausch.

Milliarden raus, Milliarden rein, Milliarden offen

Doch das dürfte schwierig werden, denn lediglich das Land Brandenburg legte laut "tagesschau.de" dem Bundeswirtschaftsministerium bisher eine abschließende Auswertung der Soforthilfen vor - ein weiterer Kritikpunkt des Bundesrechnungshofes: "Je länger die Verfahren zeitlich auseinanderliegen, umso stärker fällt ein möglicher Vertrauensschutz der Begünstigten ins Gewicht", heißt es von dort.

Die Bilanz bisher sieht nun so aus: Von den vom Wirtschaftsministerium geschätzten fünf Milliarden an zu viel ausgezahlter Corona-Soforthilfe wurden bereits rund 3,5 Milliarden Euro wieder zurückgezahlt. Noch offen: 1,5 Milliarden Euro.

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