Selenskyj zunächst enttäuscht
G7-Sicherheitspakt für die Ukraine sorgt für versöhnlichen Ausklang des Nato-Gipfels
- Veröffentlicht: 12.07.2023
- 23:35 Uhr
- Benedikt Rammer
Dank neuer Sicherheitszusagen der USA, Deutschlands und der anderen G7-Staaten endet der Nato-Gipfel für Wolodymr Selenskyj doch noch versöhnlich. Eine Einladung zum Nato-Beitritt hätte den ukrainischen Präsidenten aber glücklicher gemacht.
Das Wichtigste in Kürze
Wegen der ausbleibenden Einladung in die Nato war der ukrainische Präsident Selenskyj verärgert zum Gipfel in Vilnius gereist.
Neue Sicherheitszusagen der USA, Deutschlands und der anderen G7-Staaten versöhnen ihn.
Der Kreml sieht in den Zugeständnissen an die Ukraine eine große Gefahr.
Die G7-Gruppe westlicher Wirtschaftsmächte will die Ukraine mit langfristiger militärischer und finanzieller Hilfe besser schützen, solange sie noch kein Nato-Mitglied ist. Die USA, Deutschland und die fünf anderen Staaten der G7 stellen der Ukraine unter anderem moderne Ausrüstung für deren Luft- und Seestreitkräfte in Aussicht. Eine entsprechende Erklärung wurde zum Abschluss des Nato-Gipfels in der litauischen Hauptstadt Vilnius am Mittwochnachmittag (12. Juli) unterzeichnet. Sie bleibt aber weit hinter der Sicherheitsgarantie zurück, die zum Beispiel ein Nato-Beitritt bieten würde. Dann würde nämlich im Fall eines Angriffs die militärische Beistandspflicht aller Nato-Staaten gelten.
Im Video: Premiere für den Nato-Ukraine-Rat:
Premiere für den Nato-Ukraine-Rat
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich dennoch dankbar über die Erklärung. "Die ukrainische Delegation bringt einen wichtigen Sieg der Sicherheit für die Ukraine nach Hause, für unser Land, für unsere Menschen, für unsere Kinder", sagte er bei einem Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der G7-Gruppe. Nach der Grundsatzübereinkunft mit den G7 - den führenden westlichen Industriestaaten - würden nun Abkommen mit den einzelnen Ländern sowie multinational ausgehandelt.
Selenskyj zunächst von Nato enttäuscht
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, es gehe um eine "Sicherheitspartnerschaft", eingebettet in eine längerfristige Strategie, "auf die sich die Ukraine dann auch verlassen kann". Dies knüpfe an die bisherige Hilfe an, die der Ukraine eine Verteidigung ermöglicht habe, die ihr aus eigener Wirtschaftskraft heraus nicht möglich gewesen wäre.
Für die Ukraine endete der Nato-Gipfel mit der G7-Erklärung halbwegs versöhnlich. Am Dienstag hatte Selenskyj eine herbe Niederlage einstecken müssen, weil seinen Forderungen nach einer Einladung seines Landes in die Nato nicht nachgekommen wurde. Der 45-Jährige kritisierte das scharf und sprach von einer Schwäche des Westens, die Russland in die Hände spiele.
Blockiert worden war die Einladung vor allem von den USA und Deutschland, den beiden wichtigsten Waffenlieferanten der Ukraine. Sie wollen dem von Russland angegriffenen Land einen Beitritt frühestens nach einem Ende des Kriegs und weiteren Reformen ermöglichen. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace äußerte am Mittwoch Unmut über die Kritik und Anspruchshaltung der Ukraine. "Ob man es mag oder nicht, die Leute wollen etwas Dankbarkeit sehen", sagte er.
Estlands Regierungschefin Kaja Kallas und US-Präsident Joe Biden ließen hingegen Verständnis erkennen. "Auf ukrainischer Seite herrschte natürlich Frust. Verständlicherweise. Die Ukraine möchte den Frieden haben, den der Nato-Schirm zum Beispiel unserem Land bringt", sagte Kallas. Biden erklärte, er wisse genau, dass Selenskyj oft frustriert sei, wenn die Dinge nicht schnell genug gingen. Er selbst freue sich auf den Tag, an dem man auf einem Gipfel offiziell die Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato feiern werde.
Die G7-Vereinbarung zielt darauf ab, dass die ukrainischen Streitkräfte so ausgestattet werden, dass sie weiter ihr Heimatland verteidigen können und nach einem Ende des Kriegs so stark sind, dass Russland keine weiteren Angriffe mehr wagt. Dafür soll dem Dokument zufolge moderne Ausrüstung auch in den Bereichen "Luft und See" geleistet werden. Als eine Schlüsselfähigkeit werden Luftkampfsysteme genannt - ohne dass sie konkrete Waffensysteme wie Kampfjets oder bewaffnete Drohnen nannten.
Kreml kritisiert G7-Staaten
Welche Staaten welche bilaterale Militärhilfe leisten wollten, blieb noch offen. Auch eine zeitliche Perspektive wurde nicht gegeben. Bislang unterstützen Deutschland und die anderen G7-Staaten vor allem die Landstreitkräfte der Ukraine durch Waffenlieferungen. Westliche Kampfjets und Kriegsschiffe wurden bislang nicht geliefert.
Als weitere Punkte werden in der Erklärung die Unterstützung der ukrainischen Verteidigungsindustrie, die Ausbildung von Streitkräften und das Zurverfügungstellen von Geheimdienstinformationen genannt. Zudem wird unter anderem auch weitere finanzielle Hilfe in Aussicht gestellt. "Wir können nie zulassen, dass sich das, was in der Ukraine passiert ist, wiederholen wird, und diese Erklärung bekräftigt unsere Verpflichtung, sicherzustellen, dass sie nie wieder der Art von Brutalität ausgesetzt wird, die Russland ihr angetan hat", sagte der britische Premierminister Rishi Sunak zu der Vereinbarung.
Der Kreml bezeichnete die Sicherheitszusagen der G7 als Gefahr. "Wir halten dies für einen extremen Fehler und potenziell für sehr gefährlich", sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, am Mittwoch nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen in Moskau. Sollte der Plan so umgesetzt werden, machten diese Länder Europa "für viele, viele Jahre noch viel gefährlicher", sagte er.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete die Lieferung weiterer Waffen als wichtigste Aufgabe bei der Unterstützung der Ukraine. "Natürlich ist die dringlichste Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Ukraine sich durchsetzen kann. Denn sollte die Ukraine nicht fortbestehen, gibt es auch keine Frage einer Mitgliedschaft zu diskutieren", sagte er. Biden machte in einer Rede zum Abschluss des Gipfels deutlich: "Unser Engagement für die Ukraine wird nicht nachlassen, wir werden für Freiheit und Unabhängigkeit eintreten, heute, morgen und so lange es dauert."
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa