Gesundheitsministerin
Nina Warken reagiert auf Vorschlag: "Basistarife" für Kassenpatienten?
- Veröffentlicht: 10.09.2025
- 15:49 Uhr
- dpa
Tino Sorge, Parlamentarische Staatssekretär im Gesundheitsministerium, hat vorgeschlagen, aufgrund von steigenden Beiträgen für Kassenpatient:innen auf "Basisleistungen" und freiwillige Zusatzleistungen zu setzen. Was sagt Gesundheitsministerin Warken?
Der Parlamentarische Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Tino Sorge, schlägt angesichts steigender Milliardenkosten die Einführung günstigerer Basistarife in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vor. Versicherte könnten dann individuell Zusatzleistungen dazubuchen. "Immer neue Beitragsanstiege können keine Lösung sein", sagte der CDU-Politiker der "Bild". Laut Ministerin Nina Warken (CDU) gehört dies nicht zu Überlegungen, die Beiträge 2026 stabil zu halten. Die mitregierende SPD lehnt die Idee ab.
Konkret könnten Versicherte viele passgenaue Tarife angeboten bekommen, erläuterte Sorge. "Sprich: Kassen bieten viel günstigere Tarife an – die eine gute Grundversorgung beinhalten – und darüber hinaus weitere Pakete, die man individuell dazubucht." Als Beispiel für zusätzliche Leistungen nannte er die Kostenübernahme bei Brillen: "Es wäre ein Gewinn, wenn man sich solche Bausteine in der GKV zusätzlich versichern könnte."
Ministerin verweist auf Reformkommission
Warken wies bei RTL/n-tv auf eine Kommission für eine große Reform hin, die im September starten soll. "Da kann das sicherlich auch mit beraten werden", sagte sie. "Das ist jetzt aber keine Maßnahme, die wir momentan vorbereiten." Es sei nichts, "was ab Januar die Beiträge stabiler machen würde". SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt nannte die Vorschläge eine Mogelpackung. "Leistungen zu streichen und sie dann zusätzlich zu versichern, ist der Einstieg in eine Drei-Klassen-Medizin", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Die Koalition will erneute Beitragsanhebungen Anfang 2026 noch abwenden. Hintergrund ist, dass vorgesehene Finanzspritzen aus dem Etat nicht reichen, um neue Defizite aufzufangen. Schmidt sagte, es brauche mutige Reformen, die den Zusammenhalt sichern und die Versorgung nachhaltig verbessern sollen.
Der Chef des GKV-Spitzenverbands, Oliver Blatt, sagte: "Diskussionen um Basis- und Zusatztarife für die 75 Millionen gesetzlich Versicherten lenken von dem eigentlichen Problem ab." Das seien kostentreibende Strukturen etwa bei Krankenhäusern oder nachteiligen Vorgaben für Preisverhandlungen der Kassen bei neuen Arzneimitteln. Blatt warb erneut dafür, den Anstieg der Ausgaben ohne Leistungskürzungen zu begrenzen.
Grüne warnen vor "Drei-Klassen-System"
Die Grünen-Fraktionsvize Misbah Khan sagte, ein Basistarif in der gesetzlichen Krankenversicherung würde das Zwei-Klassen-System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu einem Drei-Klassen-System ausbauen. Damit würde es noch ungerechter und unsolidarischer. Der AfD-Abgeordnete Martin Sichert sagte, ein Basis-Tarifmodell sei nichts weiter als eine Leistungskürzung.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte davor, die Grundversorgung zu einer Minimalversorgung zu machen. "Gute Gesundheitsleistungen dürfen nicht nur Luxus für Besserverdienende sein", sagte Vorstandsmitglied Anja Piel. Die Chefin des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, kritisierte: "Schon heute beeinflusst der Geldbeutel die Gesundheit und Lebenserwartung vieler Menschen - dieser Missstand würde weiter verschärft."
Kassenärzte offen für Wahlmöglichkeiten
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) begrüßte die Debatte. "Es geht nicht darum, den Versicherten etwas wegzunehmen. Eine gute und umfassende Versorgung muss gewährleistet sein – und zwar für alle", sagte Vorstandschef Andreas Gassen. "Aber warum sollten die Bürgerinnen und Bürger nicht selbst entscheiden können, ob sie freiwillig Pakete hinzuwählen oder nicht?"
Zusatzversicherungen zur gesetzlichen Krankenversicherung gibt es bereits. Wer zum Beispiel bessere Leistungen beim Zahnersatzsatz oder eine Chefarztbehandlung im Krankenhaus wünscht, kann dies über private Zusatzversicherungen absichern. Gesetzliche Kassen bieten grundsätzlich auch Wahltarife an. So gibt es Tarife, bei denen man eine Prämie bekommen kann, wenn man sich verpflichtet, immer zuerst in eine Hausarztpraxis zu gehen.