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Umstrittene Geste

Zoff um Rüdigers vermeintlichen "IS-Gruß": Das steckt wirklich hinter der Geste

  • Aktualisiert: 27.03.2024
  • 11:05 Uhr
  • Emre Bölükbasi
Ein Instagram-Post Rüdigers sorgt für Wirbel.
Ein Instagram-Post Rüdigers sorgt für Wirbel.© Instagram: @toniruediger

Der Fußball-Nationalspieler teilt ein Foto, für das er teilweise scharf kritisiert wird. Dann schaltet sich der DFB ein und erstattet Anzeige: Eine Fingergeste Antonio Rüdigers schlägt jetzt hohe Wellen. Handelt es sich dabei tatsächlich um einen "IS-Gruß" - oder nicht?

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Das Wichtigste in Kürze

  • DFB-Profi Rüdiger hat mit einem Instagram-Beitrag für viel Aufsehen gesorgt.

  • Dem Superstar wird vorgeworfen, den "IS-Gruß" gezeigt zu haben. Rüdiger und der DFB gehen dagegen juristisch vor.

  • Handelt es sich bei der Geste tatsächlich um einen Gruß der Terrororganisation? Fakten zur islamischen Fingergeste.

Ein ausgestreckter Finger, der nach oben zeigt: Das genügt offenbar, um Gemüter zu erhitzen und eine große Debatte zu entfachen. Der Nationalfußballer Antonio Rüdiger bekam das am deutlichsten zu spüren: Vor Kurzem teilte der Real-Madrid-Superstar ein Instagram-Foto anlässlich des islamischen Fastenmonats Ramadan. In traditioneller religiöser Kleidung zeigt er dabei mit seinem Zeigefinger nach oben und wünscht Muslim:innen einen gesegneten Fastenmonat.

Was folgt, sind schwere Vorwürfe gegen den Sportler. Er habe "den ISIS-Gruß der Islamisten" gezeigt, schrieb Ex-"Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt auf X. Weder Rüdiger noch der DFB ließen sich die Behauptung gefallen: Sie erstatteten Anzeige wegen Verleumdung gegen Reichelt, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet.

Was hat es aber mit dieser Fingergeste tatsächlich auf sich - und handelt es sich dabei um (k)einen IS-Gruß?

Ein Finger - ein Gott

Der ausgestreckte Zeigefinger hat im Islam tatsächlich eine besondere Bedeutung. In muslimischen Kreisen ist die Geste allgegenwärtig: Man sieht den ausgestreckten Zeigefinger etwa, wenn Muslim:innen das islamische Glaubensbekenntnis aussprechen. Wer eine Moschee besucht und Muslim:innen beim Gebet zusieht, wird ebenfalls feststellen: Auch während des Gebets wird der Finger von allen Muslim:innen immer wieder erhoben.

Der Grund dafür: Der Islam ist eine monotheistische Religion - und ein einziger ausgestreckter Finger soll die Einheit und Einzigartigkeit Gottes symbolisieren. Im Islam wird dieses Konzept auch als "tauhid" (Deutsch: Einheit) bezeichnet - die Geste folglich als "tauhid"-Finger. So strecken Muslim:innen den Zeigefinger während des Gebets aus, wenn sie den ersten Teil des islamischen Glaubensbekenntnisses aussprechen: "Es gibt keinen Gott außer dem einzigen Gott."

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Traditionelles Symbol aus dem siebten Jahrhundert

Die Geste gilt seit dem siebten Jahrhundert als ein traditionell muslimisches Zeichen. Schon der muslimische Prophet Mohammed (571-632 n. Chr.) soll die Geste während des Gebets immer wieder gezeigt haben. Derartige religiöse Praktiken Mohammeds werden im Islam "sunnah" (Deutsch: Brauch) genannt und wurden von dessen Freunden schriftlich festgehalten. Auch heute noch gehen Gläubige diesen Bräuchen nach, indem sie sich an diesen Überlieferungen orientieren.

Dass das Ausstrecken des Zeigefingers während des Gebets schon zu Mohammeds Zeiten ein Brauch war, hielt etwa dessen Weggefährte Wail bin Hujr fest. So habe Mohammed während des Gebets "mit seinem Daumen und seinem Mittelfinger einen Kreis" gemacht und "den Zeigefinger erhoben", schrieb er.

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Ministerium findet Fingergeste "unproblematisch"

Dass der ausgestreckte Zeigefinger primär als Symbol für die Existenz eines einzigen Gottes fungieren soll, ist auch den Behörden bekannt. So schrieb etwa das Bundesinnenministerium als Antwort auf eine "Bild"-Anfrage, dass der "tauhid"-Finger "als Glaubensbekenntnis zu verstehen" sei.

Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sieht das Ministerium in der Geste nicht. "Mit Blick auf die öffentliche Sicherheit" sei diese "als unproblematisch einzuordnen".

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Eine verbreitete Geste, die vom IS vereinnahmt wurde

Der ausgestreckte Zeigefinger ist schon seit Jahrhunderten in der muslimischen Welt etabliert. Dass er heute noch fälschlicherweise als der "IS-Gruß" bezeichnet wird, liegt an der Selbstdarstellung der Terrororganisation: Immer wieder sieht man stolz posierende Terroristen, die auf Fotos den Finger nach oben strecken. So wird in der öffentlichen Wahrnehmung fälschlicherweise aus einem Symbol von mehr als einer Milliarde Muslimen der vermeintliche Gruß einer Terrororganisation.

Auch der Verfassungsschutz räumt in seinem Bericht "Salafismus in Deutschland" ein, dass die Geste eigentlich "die unteilbare Einheit Gottes" symbolisieren soll. Er werde jedoch von "IS-Anhängern" und "von deren Sympathisanten und Salafisten genutzt".

So vereinnahmte die Terrororganisation IS regelrecht die Geste für sich. Unabhängig davon bleibt der ausgestreckte Finger jedoch ein jahrhundertealtes islamisches Symbol. Auch das Innenministerium sieht das so: Dass die Geste als Glaubensbekenntnis zu verstehen sei, gelte "unabhängig von der Tatsache, dass islamistische Gruppen dieses Symbol vereinnahmen und für ihre Zwecke missbrauchen."

Im Video: Stellt die Terror-Gruppe "Chorasan" auch eine Gefahr in Deutschland dar?

  • Verwendete Quellen:
  • ahadith.co.uk: Hadith Narrated By Wail bin Hujr
  • Bild: Rüdiger und DFB erstatten Anzeigen
  • Bundesamt für Verfassungsschutz: Salafismus in Deutschland
  • Instagram: Antonio Rüdiger
  • Nachrichtenagentur dpa
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